Re: Ungutes Gefühl

#21
Auch wenn gewünscht wird, dass der Thread hier ein Ende haben soll...ich möchte doch auch noch etwas schreiben.

Ich habe meinen Defi mit nicht ganz 23 bekommen.
Ich hatte kein Kammerflimmern und keinen Herzstillstand.

Ich habe aber einen angeborenen Herzfehler und Herzrhythmusstörungen.
Und man konnte bei mir im Herzkatheter Kammerflimmern auslösen.

Dennoch habe ich damals nicht eingesehen, warum ich denn bitte einen Defi brauchen soll. Ich hab doch nichts...also in meiner Welt.
Ich bin wie ich bin und so war ich schon immer und die Ärzte regen sich alle viel zu viel auf und haben eh keine Ahnung, weil ihnen Vergleichsmöglichkeiten fehlen.
Das gaben sie ja auch zu. Sie sagten, wir können Ihnen nicht genau sagen, ob Sie einen Defi brauchen, aber WENN Sie einen brauchen SOLLTEN, und haben keinen, dann sind sie so gut wie tot und das wär ja schade, weil Sie noch so jung sind...

"Na, dann bin ich halt tot, dann tut mir wenigstens nichts mehr weh" hab ich mir damals gedacht. "Und wenn ich mir einen geben lasse und der bis Batterieende nichts tun musste, lass ich mir keinen neuen geben."

Lang ists her...

Beinahe 10 Jahre jetzt.

Ich habe meinen Defi 9 Jahre nicht einmal annähernd gebraucht und bis heute hat er nicht einmal auslösen müssen. Im April diesen Jahres hat er jedoch einmal überstimuliert, weil man mir zu viele Schilddrüsenhormone verschrieben hatte.

Ich möchte allen hier noch ein paar Gedanken mit auf den Weg geben, die mir z.T. erst nach sehr vielen Jahren mit diesem Stück Metall in mir gekommen sind.

  1. Es heißt nicht mit Defi leben und ohne sterben. So einfach ist es nicht. Es kann genausogut heißen ohne Defi mit Hirnschäden im Wachkoma liegen...

  2. Es gibt viel weniger Einschränkungen, als die Ärzte einen glauben machen möchten/müssen.

  3. Man darf sich nicht fragen, was passiert wenn der Defi Dann-und-dann auslöst. Man muss fragen, was passiert wenn ich in eine Situation komme, in der der Defi auslösen müsste, ich aber keinen habe?


Und zu guter Letzt: Das Kind ist in gewisser Weise längst in den Brunnen gefallen. Man hat uns gesagt, dass MÖGLICHERWEISE etwas mit unserem Herzen nicht stimmt und wir spontan tot umfallen können.

Mal ehrlich. Wer kriegt das jemals wieder völlig aus seinem Kopf?
Und wer denkt in körperlich und/oder emotional anstrengenden Situationen nicht auch mal mit einem halben Gedanken darüber nach: was macht das jetzt eigentlich mit meinem Herzen? Ob es das wohl ab kann?

Und wie ist es dann, wenn ich mir NICHT sagen kann: Für den Fall der Fälle habe ich ja den Defi. Bekomme ich dann vielleicht Panik und die ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt? Der Auslöser dafür, dass ich dann doch einen brauche und dann aber keinen mehr habe? Was dann?

Ich habe mich letztlich dafür entschieden mir ein neues Gerät geben zu lassen, obwohl ich das anfangs nie gedacht hätte. Ich habe meinen Defi gehasst als ich ihn bekam, zumindest dachte ich das. Eigentlich habe ich nur nicht einsehen wollen, dass es Dinge in meinem Leben gibt, auf die ich keinen Einfluss habe und dass mein eigener Körper dazu gehört.

Es gibt so viele Unwägbarkeiten im Leben...wie will ich da sagen, wie wahrscheinlich etwas ist? Jeder Lebensabschnitt ist anders und auch ein Körper verändert sich im Laufe der Zeit. Die Bedingen sind ständig im Fluss. Es gibt so viele Variablen, was weiß ich, welche noch gesetzt werden muss, damit dann doch was passiert oder eben nicht?


Ich möchte irgendwann in näherer Zukunft Kinder.
Niemand kann mir sagen, was eine Schwangerschaft mit meinem Herzen macht.
Jetzt hab ich ein neues, voll aufgeladenes Gerät und harre der Dinge, die da kommen und hoffe einfach mal das Beste. Nämlich dass ich allen beweise, dass mein Herz mehr kann, als man ihm vielleicht zutraut.
Und wenn nicht...nun dann habe ich zumindest den Defi, der mir helfen kann.

LG,
Christine



Wenn wir aufhören zu Leben, weil wir uns vor dem Tod fürchten, dann sind wir schon gestorben.

"Wir sind die Borg. Wiederstand ist zwecklos." ^^

Re: Ungutes Gefühl

#22
    Zitat: ChristineJ
    Ich möchte allen hier noch ein paar Gedanken mit auf den Weg geben, die mir z.T. erst nach sehr vielen Jahren mit diesem Stück Metall in mir gekommen sind.

    1. Es heißt nicht mit Defi leben und ohne sterben. So einfach ist es nicht. Es kann genausogut heißen ohne Defi mit Hirnschäden im Wachkoma liegen...

    2. Es gibt viel weniger Einschränkungen, als die Ärzte einen glauben machen möchten/müssen.

    3. Man darf sich nicht fragen, was passiert wenn der Defi Dann-und-dann auslöst. Man muss fragen, was passiert wenn ich in eine Situation komme, in der der Defi auslösen müsste, ich aber keinen habe?


    Und zu guter Letzt: Das Kind ist in gewisser Weise längst in den Brunnen gefallen. Man hat uns gesagt, dass MÖGLICHERWEISE etwas mit unserem Herzen nicht stimmt und wir spontan tot umfallen können.

    Mal ehrlich. Wer kriegt das jemals wieder völlig aus seinem Kopf?

    LG,
    Christine
Hallo Christine

Ich finde es gut das du hier geantwortet hast, mir ist der Austausch wirklich wichtig, auch wenn ich in vielen Punkten andere Ansichten habe. ZB. zu deinen drei oben genannten Punkten. Ich möchte auch hier nochmals betonen, das ich keinem den Defi aus- oder schlechtreden will. Ich finde es grossartig, das es diese Technik gibt für die die ihn wollen und brauchen. Nur eben ist dies nicht bei allen der Fall. Das Wollen eben nicht und offensichtlich wie oben jemand geschrieben hat, das Brauchen auch bei 50% die ihn haben nicht.

Zu 1. Genau aus diesem Grund habe ich ja jetzt eine Patientenverfügung und mein Mann und Tochter wissen Bescheid, dass ich weder wiederbelebt noch an Apparate gehängt werden möchte. Ich hoffe es gibt dann in 8 Jahren wenn es bei mir vielleicht so weit ist, noch diesen Stempel den man auf die Brust machen kann, der zeigt, dass man nicht reanimiert werden will.

2. Es gibt in meinem Fall viel mehr Einschränkungen als mir der Arzt versprochen hat. Ich habe täglich Schmerzen, bin in den Bewegungen links eingeschränkt und die Angst vor einem inadäquaten Schock ist auch immer wieder da.

3. Vielleicht ist ja der Grund warum ich mich das nicht fragen muss, genau der, dass ich es ja schon mal erlebt habe. Ich bin schon mal mit Kammerflimmern umgefallen und war dann irgendwo zwischen Leben und Tod und es war alles andere als schrecklich. Es war wunderschön, friedlich und ich wünsche mir sehr, das mein Tod einmal genau so sein wird. Und nicht ein jahrelanges Dahinsiechen mit Krebs wie es in meiner Familie zB. leider sehr häufig vorkommt.
Nein, ich bin nicht lebensmüde oder wild darauf zu sterben, aber so schlimm finde ich den Gedanken eben auch wieder nicht und früher oder später müssen wir ja sowieso gehen, also warum kommt es denn auf die paar Jahre so sehr an?

Du bist fast 10 Jahre jünger als ich und möchtest noch Kinder. Da kann ich deinen Wunsch weiter zu leben und auch wärend der Schwangerschaft abgesichert zu sein verstehen.
Ich habe schon eine Tochter. In 8 Jahren ist sie Mitte 20ig und ich nehme mal an, das ich nicht gleich am ersten Tag ohne Defi tot umfallen werde, wenn er vorher 9 Jahre nie auslösen musste. Klar besteht die Möglichkeit, aber darüber müssen wir dann halt vorher ganz viel reden und ich hoffe sehr, das sie meine Entscheidung verstehen wird.

Wer weiss, vielleicht kommt es aber auch gar nie dazu, weil in 8 Jahren die Defis nur noch winzig sind, die Sonden nicht mehr ins Herz geleitet werden müssen oder ich mich einfach so an die Sicherheit gewöhnt habe, das ich mir ein Leben ohne auch nicht mehr vorstellen kann. Die Erinnerungen an das Gefühl im "Zwischenreich" verblassen sicher auch und vielleicht fürchte ich mich dann auch wieder mehr vor dem Tod.
Wichtig ist mir einfach das hier im Forum auch eine andere Sichtweise auf den Defi geduldet wird. Das es Menschen gibt, die nicht unendlich froh sind das sie ihn haben. Die mit der Implantation überumpelt wurden und nun zweifeln. Das man seine Gedanken äussern kann ohne das gleich alle schreiben, sei gefälligst froh das du ihn hast und find dich damit ab, etwas besseres gibt es gar nicht.

Herzliche Grüsse
Lilian

Re: Ungutes Gefühl

#23
Anfangs dachte ich, der Herzstillstand sei ein einmaliges Ereignis gewesen, und der Defi nur eine theoretische Sicherheit, wer weiß... Er hat einmal eine schwere Kammertachykardie beenden müssen - und vor einem Monat hatte ich dann plötzlich Kammerflimmern. Nun bin ich zwar immer noch recht down von dem Ereignis, habe zudem noch die beschriebenen Schwächeanfälle und bin mal nicht so gut drauf - aber ich weiß, daß ich erleichtert bin, zu leben. Die Freude spüre ich noch nicht so, aber ich weiß, daß ich leben will, und dank meines Defi darf ich das.
Mittlerweile vermuten die Ärzte, daß meine Erschöpfungsanfälle unbewußte Angstzustände sind. Ich war eigentlich sicher, daß da noch was Organisches dahintersteckt.... Ich werde noch weiter durchgecheckt, die Blutproben sind jedenfalls in Ordnung, und die EKGs z.Z. auch (bis auf die Aufzeichnung vom Defi mit dem Schock natürlich).


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Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, 4xOP am offenen Herzen, Herzinsuffizienz 2. Grades, Z.n. überlebtem Plötzlichem Herztod 2007, anschließend Defibrillatorimplantation, 2011 und 2012 Ballondilatation mit Stentimplantation in den Pulmonalarterien, 2012 Kammerflimmern

Re: Ungutes Gefühl

#25
ich gehöre auch zu den Menschen, die mit dem Defi"einbau" überrumpelt wurden. Ich lebe von Kindesbeinen an mit dieser Erkrankung, allerdings selber bin ich erst seit 2004 betroffen. Vorher galt ich als HOCMfrei. Als Dreijährige fiel mein Großvater direkt vor mir tot um, plötzlicher Herztot, als ich vier Jahre alt war, wurde meine Schwester am offenen Herzen operiert, das war in 60er Jahren keine RoutineOP. Als ich 11 Jahre alt war, starb mein Bruder, plötzlicher Herztod. Mein Vater starb an einer Cordarex induzierten Lungenfibrose. Ich habe soviel Angst vor dieser Erkrankung gehabt, daß ich dem Defi zugestimmt habe. Ich habe keine Angst vor dem plötzlichen Herztod, aber Angst vor einer späten Reanimation mit schlimmen Folgen.
Meine Mutter hat inzwischen 2 Kinder und ihren Schwiegersohn zu Grabe getragen und das ist nicht so, wie es vorgesehen ist. Mütter sollten nicht am Grab ihrer Kinder stehen müssen. Ich hoffe, daß der Defi dafür sorgt, daß meine Mutter nicht auch an meinem Grab stehen muß. Ich will damit sagen, daß wir auch eine gewisse Verpflichtung unseren Liebsten gegenüber haben. Ist es nicht egoistisch zu sagen, daß der plötzliche Herztod nicht schlimm für uns ist? Bitte nicht falsch verstehen, aber die Angehörigen stehen dem ganzen fassungslos gegenüber.
Es ein wirklich schwieriges, komplexes Thema, das jeder für sich klären muß.
Ich liebe meinen Defi nicht, habe mich aber mit ihm arrangiert. Es ist jetzt mein 2. und nächste Woche kommt der 3. Bisher konnte ich mich noch nicht überwinden den Defis einen Namen zu geben. Ich denke, wenn ich es dann mal machen werde, habe ich mich mit dem Defi und der Krankheit ausgesöhnt.

Andrea



Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius Null - und das nennen sie ihren Standpunkt. (Albert Einstein)

Re: Ungutes Gefühl

#26
Darum habe ich geschrieben, das wir sicher noch viel reden müssen. Mit meinem Mann und meiner Mutter habe ich darüber geredet. Mit meiner Tochter auch schon ein wenig. Wenn das so unerwartet kommt wie bei deinen Angehörigen, dann muss das ganz furchbar und traumatisierend sein.
Ich würde allerdings von keinem meiner Familienangehörigen verlangen gegen ihren Willen und Überzeugung zu handeln und ein Leben zu führen das sie so nicht wollen, nur weil ich nicht am Grab stehen will. Auch nicht von meiner Tochter. Diese Verpflichtung habe ich auch, so kann man es eben auch sehen.

Re: Ungutes Gefühl

#27
Guten Abend,

ich denke in diesem Forum wird keiner alleine gelassen, oder keine Antwort wenn möglich offengelassen! Ich frage mich nur was das soll?
Ich habe schon mal geschrieben, ich bin nicht in der Lage es mir auszusuchen! 3 Infarkte mit Reanimation Defiträger und auf der Transplantations Liste.
Ich meine, die meißten Menschen reden hier nicht darum, ob sie ihr Bein abnehmen lassen sollen oder nicht, sondern ob sie im notfall WEITER LEBEN können! Verdammt laß dir deinen Defi rausnehmen oder klebe dir einen Magneten drauf!!!!!

Du redest die ganze Zeit von Dir und deiner Familie, es gibt aber auch andere hier im Forum, daher ist es ein Forum!

PS! Muß schlafen gehen, habe morgen 7.30 Termin, ich bekomme einen 3 Kammer Defi.

Re: Ungutes Gefühl

#28
Hallo Macde,

dann wirst ihn jetzt schon haben, den 3-Kammer-Defi!

Ich wünsch' dir nen guten Start mit 3 Horchern.


Zu diesem obigen Thema später, nicht heute, noch ein paar Gedanken.

Grüße

Michael



Re: Ungutes Gefühl

#29
Vielen Dank für eure netten Zuschriften, sei es hier im Forum per PN oder über meinen Blog. Ich finde es sehr schade, dass sich so wenige trauen zu äussern nur wegen einzelnen primitiv aggressiven Mitgliedern hier. Einfach ignorieren ist am besten.

Aber es hilft trotzdem unheimlich viel, zu wissen, dass die vorherschenden Meinungen hier nicht die einzig möglichen, gesunden oder einfach nur normalen sind. Das Forum bleibt nun halt ein Ort wo vor allem die "Judihui, ich habe jetzt einen Defi, gebe ihm einen trolligen Namen singe ihm jeden Tag ein Lied und somit ist alles gut" Fraktion geduldet wird und so soll es wohl auch bleiben.

Vielen Dank auch an die die sich hier trotzdem die Mühe gemacht haben anständige und konstruktive Antworten zu schreiben, sowie ChristineJ, deren Beiträge sowieso immer sehr wertvoll sind und auch Ignatia.
Wir können gerne weiter per PN oder Email diskutieren, hier allerdings werde ich nicht mehr schreiben um nicht weiter die Gesundheit der Mitglieder zu strapazieren, die sich hier so schrecklich aufregen müssen, über eine Meinung die so gar nicht ihrer eigenen entspricht.

Re: Ungutes Gefühl

#30
Hallo Lill,
Das ist aber auch so ein Ding.
"Da klaut mir einer die Schaufel und jetzt spiel ich nicht mehr mit"
Ist doch gut wenn unterschiedliche Meinungen gepostet werden.
Das Macde etwas nervös ist, sollte Angesicht seiner OP klar sein.

Gruß

Mike


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Langfristig gesehen-sind wir alle tot
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