Ein Gruß aus München

#1
Hallo, ich bin neu hier und möchte mich vorstellen.
Ich schreibe als Mutter, meine Tochter hat im Januar mit 13 Jahren einen Defi implantiert bekommen. Sie ist plötzlich in der Schule umgekippt und hat Kammerflimmern bekommen. Sie wurde von ihrer Sportlehrerin reanimiert und musste nach Eintreffen des Notarztes wegen erneutem Kammerflimmern nochmals reanimiert werden. Sie leidet seit ihrer Geburt an einem Mitralklappenprolaps und Mitralklappeninsuffizienz. Allerdings wurde uns bisher immer bei den Kontrolluntersuchungen gesagt, daß ihr Herzfehler nicht schlimm ist. Weitere Probleme wurden bei den Routineuntersuchungen nie festgestellt. Seit dem Vorfall hat sie auch starke Herzrhythmusstörungen und muss Medikamente dagegen nehmen. Meine Tochter ist derzeit in der Pubertät und kommt irgendwie mit der Situation gar nicht klar. Sie leidet seitdem an starken Ängsten, dass es wieder passiert und in einer für sie nicht kontrollierbaren Situation zu einer Bewusstlosigkeit kommt. Ich würde mich freuen, sollten in diesem Forum weitere Kinder mit Defi sein, hier vielleicht einen Kontakt zu erhalten. Ich glaube, das wäre für sie sehr wichtig.
Viele Grüße, Susi

Re: Ein Gruß aus München

#2
Liebe Susi,
erst einmal herzlich willkommen hier im Forum.
Das ist schon eine schlimme Geschichte, die deine Tochter und du da erlebt habt.Mit 13 Jahre einen Defi,Wahnsinn! Das ist doch der Alptraum für ein Kind in dem Alter und für dich als Mutter ebenfalls.
Ich finde es gut, dass du nicht in Schockstarre verharrst, sondern aktiv Hilfe suchst.
Das ist schon mal ein guter Anfang der Krankheitsbewältigung.
Bei uns gab es vor einigen Jahren auch so einen Fall, bei dem ein 11jähriges Mädchen nach dem Seilspringen im Sportunterricht ohnmächtig geworden war und vom Sportlehrer reanimiert werden musste.Dem Mädchen wurde dann ebenfalls ein Defi implantiert.In der Berichterstattung war dann von einer genetisch bedingten Herzerkrankung die Rede.
Diese manifestieren sich oftmals bei und nach körperlicher Belastung.Ich rede von Ionenkanalerkrankungen wie CPVT, Long-QT u.a.Ist in diese Richtung geschaut worden?

Ich glaube schon, dass ein Mädchen in dieser sensiblen Altersphase mit so einer Situation stark überfordert ist.
Meines Erachtens wäre es hilfreich, wenn es hierzulande mehr Selbsthilfegruppen für Kinder und Jugendliche und deren Eltern gäbe.Zum persönlichen Austausch, zum Reden oder einfach nur zum Zuhören Eine psychotherapeutische Betreuung in Einzelbehandlung für deine Tochter wäre auch eine Option.

Ich wünsche dir und deiner Tochter alles, alles Gute und viel Kraft.

Viele Grüße von Anett



Re: Ein Gruß aus München

#3
Hallo Anett,
ja, so eine genetische Untersuchung ist durchgeführt worden, aber es ist nichts dabei herausgekommen. Die Ärzte sagen, wenn man keine andere Ursache findet, wird der Mitralklappenprolaps wahrscheinlich doch die Ursache sein. Meine Tochter ist bereits in psychotherapeutischer Betreuung, geht auch in eine Tagesklinik, da ein Alltag derzeit noch nicht möglich ist. Das tut ihr auch sehr gut. Aber es wäre natürlich auch sehr schön, wenn sie Kontakt zu anderen Defiträgern in jungem Alter haben könnte, da die Therapeuten natürlich auch unsicher in ihrem Fall sind.
Vielen lieben Dank für Deine Antwort,
liebe Grüße, Susi

Re: Ein Gruß aus München

#4
Da ist ja schon ein ganzes Maßnahmenpaket angelaufen, das ist schon mal gut.

Die Wahrscheinlichkeit, ebenso junge Defiträger im Umfeld kennenzulernen, ist natürlich schon sehr gering.Bei der geringen Anzahl von Kindern und Jugendlichen mit ICD. Ich habe mal eine Statistik gelesen, nach der nur 2,5 % der Defiträger bei der Erstimplantation unter 40 Jahren alt sind.Und wenn man bedenkt, wie wenig Menschen im Gesamtkollektiv einen Defi haben,dann kann man sich vorstellen, dass es für euch nicht leicht ist, andere Betroffene kennenzulernen.
Da ist so ein Forum wie dieses schon eine Möglichkeit.
Ich bin auch noch nicht so lange dabei und kenne noch nicht so viele Teilnehmer, aber vielleicht meldet sich der ein oder andere zum Gedankenaustausch.Einige jüngere gibt es ja schon hier.
Ich wünsche es euch von ganzem Herzen.



Re: Ein Gruß aus München

#5
Hallo Susi,
ich weiß dein Beitrag ist zwar schon ein wenig her, aber vll. liest du ihn ja noch:)
Pu das ist ja echt eine Geschichte mit deiner Tochter.. Ich hoffe es geht ihr mittlerweile etwas besser und ihr beide kommt mit der Situation einigermaßen klar.
Weil du geschrieben hast wegen jüngeren Defiträgern bin ich eigentlich auf deinen Beitrag gekommen:)
Mein Name ist Joy und ich bin jetzt 23. 2011 habe ich meinen Defi bekommen, also ich war noch 16. Deine Tochter ist schon noch eine Spur jünger aber ich kenne das Gefühl deiner Tochter sehr gut, das man denkt allein zu sein und einfach überfordert ist mit der ganzen Situation. Erstmal gott sei dank das gleich jemand bei ihr war. Ich hab meinen Defi in Großhadern in München bekommen, deine Tochter evtl. sogar auch?
Ich wollte euch eigentlich nur anbieten, wenn deine Tochter Fragen hat oder sich einfach mal austauschen will, kann sie sich gern bei mir melden.
Ich wünsche euch schöne Feiertage und erstmal alles Gute:)
Lg Joy
(Sorry jetzt is es doch bissl lang geworden)

Re: Ein Gruß aus München

#6
Hallo Joy,
danke, ich habe Deine Antwort gelesen. Inzwischen ist meine Tochter 14 Jahre alt. Ich würde mal sagen, es ist noch ein langer schwerer Weg für sie, damit klar zu kommen, aber es wird langsam besser.
Derzeit sind wir in einer Rehanachsorgeklinik in Tannheim und hoffen einfach, dass es wieder ein Stück aufwärts geht. Seit September geht sie mittlerweile wieder zur Schule, aber es fällt ihr jeden Tag noch schwer, da dieses Kammerflimmern mit Reanimation in der Schule passiert ist.
Ihr wurde der Defi im Deutschen Herzzentrum in München implantiert. Ich gebe Ihr dein Angebot einfach weiter, aber wenn wird sie sich dann erst nach der Reha melden. Danke für Dein Angebot,
viele Grüße.

Re: Ein Gruß aus München

#7
Liebe Susi,
ich bin ein "alter" Hase in diesem Forum und früher auch sehr aktiv hier gewesen. Mit meinen damals 41 Jahren, als "es" passierte, nannten meine Ärzte mich sogar auch "jung" als Defi-Trägerin ;-)...
Nach langer Zeit besuche ich jetzt das Forum mal wieder und stoße auf Eure Geschichte, die mich berührt. Ich hoffe, Deine Tochter wird sich vielleicht auch hier eines Tages selbst austauschen können, was mir damals auch sehr geholfen hat, so als Neuling.
Ich bin seit fast 16 Jahren Defi-Trägerin, bin auch in einer Schule plötzlich „umgekippt“, wie ich es immer nenne. Jedoch in etwas anderer Konstellation: Es war die Schule meiner damals 12-jährigen Tochter. Ich hatte an dem Tag ein Vier-Augen-Gespräch mit ihrem Klassenlehrer.
Es war ein für mich zuvor schon anstrengender und stressiger Arbeitstag gewesen und in der Mittagspause hatte ich einen Termin bei ihrem Klassenlehrer. Ich kam total erschöpft und abgehetzt bei ihm in der Schule an und hörte zu meiner Überraschung Dinge, die mich zusätzlich aufregten: Die Versetzung meiner Tochter stand auf der Kippe...(Ohweeeh....WAS für ein Drama ("Sitzenbleiben"?) für mich als damals alleinerziehende und berufstätige Mutter – HEUTE denke ich natürlich ganz anders drüber, es gibt wirklich Schlimmeres). Ich versprach dem Lehrer zum Ende des Gespräches also, meine Tochter aus ihrem damaligen Leistungssportverein abzumelden, damit sie sich intensiver ihren Hausaufgaben widmen könnte, um den Stoff aufzuholen und ihre Versetzung nicht zu gefährden ( im Hinterkopf die Frage: Wie erkläre ich DAS meiner Tochter? )...Wir saßen in einem winzig kleinen, stickigen Besprechungszimmer: 1 Tisch, 2 Stühle. Wir standen auf, gaben uns zum Abschied die Hand... - .und dann...fiel ich um! Ihrem Lehrer sozusagen in die Arme! Das ist fast 16 Jahre her, wie gesagt. Aus meiner inzwischen 27-jährigen Tochter ist trotz allem was geworden. Sie ist mein ganzer Stolz und wir sind sehr eng miteinander. Es fügte sich alles irgendwie. Sie hat einen sehr guten Schul- und dann Berufausbildungsabschluss gemacht, steht mitten im Leben und das WICHTIGSTE: Ich konnte am Leben meiner Tochter weiter teilnehmen – Dank meines implantierten Defibrillators!!! Ich konnte anschließend diese Schule anfangs auch nicht mehr betreten, hatte ein Trauma zu verarbeiten...Was jedoch einen Schalter in meinem Kopf umlegte, nachdem ich mit „diesem Ding in meiner Brust“ und den Umständen, die dazu führten, haderte, waren diese Worte meines damaligen Hausarztes, die ich Euch ans Herz legen möchte: „Sie müssen sich einmal vor Augen führen, wie privilegiert Sie sind! In meiner Heimat (Polen) werden nur denjenigen teure Defis implantiert, die privilegiert sind und es sich leisten können. Es hätte auch anders ausgehen können. Wäre es Ihnen lieber gewesen, es wäre Ihnen im Auto während der Fahrt oder allein zu Hause, womöglich in der Badewanne, passiert? Und Sie können dank dieses „Gerätes“ Ihre Tochter jetzt weiter aufwachsen sehen und für sie da sein! Und das allein deswegen, weil Sie im „richtigen Land“ leben und „dieses Ding“ Ihnen für den Fall eines Falles Ihr Leben zukünftig rettet!“ Was ich mir ab dem Zeitpunkt verinnerlichte war, dass „dieses Ding“ nicht mein „Gegner“ war, sondern evtl. eines Tages mein Lebensretter/Schutzengel – und der Ort, wo „es“ passierte, genau der Richtige, denn wer weiß, wo es sonst passiert wäre...ohne sofortige Hilfe? Passiert wäre es auf jeden Fall...
Ich trage seit einer Woche bereits das dritte Aggregat – immer einen Schritt moderner – und bin dankbar dafür. Vielleicht – und das hoffe ich für Euch – kann Deine Tochter auch bald „einen Schalter im Kopf umlegen“. Sie hat das große Glück, auch PRIVILEGIERT zu sein.
Alles, alles Liebe und Gute für Euch....und liebe Grüße an Deine Tochter. Sie wird ihren Weg gehen – mit zusätzlichem Schutzengel in ihrer Brust!


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Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu tragen: Die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.
(Immanuel Kant)