Mein Name ist Oliver, ich bin 39 Jahre alt und wollte ein Euch gerne mal meine Geschichte erzählen.
Ich habe im Dez.2008 mit 36 Jahren einen Vorderwandinfarkt erlitten. Symptome waren schon einige Wochen vorher zu verspüren. Dazu gehörten Schmerzen in der Brust, Atemnot, Angstattacken, eigentlich das volle Programm. Blöderweise hatte ich circa zu dem Zeitpunkt eine einseitige Gesichtslähmung, wegen welcher ich auch stationär in der Neurologie lag. Man hat mich dort mit Cortison vollgepumpt, diverse Tests gemacht und nach 3 Tagen konnte ich wieder nach Hause. Das Cortison sollte ich weiter nehmen und nach 2 Tagen zu Hause traten halt die o.g. Beschwerden auf. Ich habe mich wieder ins Krankenhaus fahren lassen und lag dort eine ganze Woche auf der Neurologie. Ich konnte die Beschwerden selbst auch schwer zuordnen, da der entzündete Gesichtsnerv unterhalb des Ohres liegt und ich es alles darauf bezogen habe. Nie und nimmer wäre ich darauf gekommen, dass es in Wirklichkeit ein verstopftes Herzkranzgefäß war, welches mir den Kummer macht.
Nachdem man dort nichts feststellen konnte bin ich wieder nach Hause und unter Belastungen im Haushalt, Einkäufe, schwer Heben ging es wieder los. Ich sollte dann das Cortison absetzen, da man glaubte ich reagiere darauf empfindlich.
Ja am 21. Dezember bin ich dann in der Nacht wach geworden, mit einem gewaltigen Schmerz in der Brust. Da ich ja gerade erst durchgecheckt wurde und es meist ja nach 10 Minuten wieder aufgehört hat, habe ich versucht mich zu beruhigen, was leider nicht wirklich gut geklappt hat. Schmerz wurde immer schlimmer, Atemnot und absolute Todesangst. Gegen 8 Uhr, also 6 Stunden später hab ich mich dann ins KH bringen lassen, wo ein STEMI der Vorderwand diagnostiziert wurde. Gründe dafür waren Übergewicht, wenig Bewegung durch Bürojob, bzw. Außendienst, Nikotin, schlechte Ernährung, sehr schlechte Cholesterin- und Triglyceridewerte udn Familienvorbelastung. Da ich so lange zu Hause gewartet habe, hatte sich eine Narbe auf meinem Herzen gebildet. Per Katheter wurde das Gefäß geweitet ( dilatiert ) und ich bin nach 11 Tagen KH-Aufenthalt in die REHA nach Timmendorfer Strand entlassen worden.
Dort habe ich angefangen mein Leben neu zu ordnen, Nikotinentzug, Körper an Sport gewöhnen, Ernährung umstellen usw.
Ich hab ein den ersten 10 Monaten 20 Kilo abgenommen, bin über Anfänge im Nordic Walking zum Joggen gekommen und in ein Fitnessstudio eingetreten. Teilweise war ich täglich entweder 5 - 6 km Joggen oder im Studio, aber alles in Maßen und mit Pulskontrolle. Im Grunde fühlte ich mich Pudelwohl, einfach Fit mit so viel Gewicht weniger und hatte auch wieder Spaß an allem, vor allem an Bewegung und Sport.
Nach einem Jahr haben sich zwar Herzrythmusstörungen ( Doppelsalven ) eingeschlichen, aber die blieben erstmal unbehandelt.
Bis am 08. November 2010 alles anders wurde. Ich habe etwas früher Feierabend gemacht, bin dann zum Sport gefahren, habe vom Parkplatz aus noch meine Freundin angerufen und oben angekommen verspürte ich leichtes Unwohlsein. Mein Trainer wusste ja von meinem Herzleiden, wir haben noch Blutdruck gemessen ( 130/75 ) und ich bin auf das Ergometer und wollte mich etwas warm strampeln, bzw. auch meinen Kreislauf etwas anregen.
Ja, ich saß grad erst auf dem Rad, als mir plötzlich schwindelig, sauübel wurde und mein Kreislauf ging rapide nach unten. Bin schnell abgestiegen, habe meinem Kumpel noch gesagt er soll einen Notarzt rufen und weg war ich. Mein Trainer hat dann bis zum Eintreffen des Notarztes eine Laienreanimation durchgeführt, welcher dann eine 2-malige Defibrillation durchgeführt hat. Im Krankenwagen musste ich nochmals geschockt werden und dann bin ich 3 Tage später, nach einem künstlichen Koma wieder erwacht.
Man erzählte mir dann, dass ich Kammerflimmern hatte und froh sein kann noch am Leben zu sein, durch das schnelle reagieren durch meinen Trainer sogar ohne neurologische Schäden. Ich selbst konnte mich nur noch daran erinnern zu meinem Kumpel gesagt zu haben, dass ich einen Notarzt benötige.
Nach insgesamt 5 Tagen Intensivstation im Universitären Herzzentrum Hamburg kam ich auf die Monitorstation und das Wort DEFI fiel zum ersten mal. Der Oberarzt Dr. Aydin hatte sich was tolles für mich ausgedacht und das war ein Defibrillator auf neuestem Stand, welcher erst seit einem halben Jahr implantiert wurde. Subkutan unter der Haut, ohne Sonden zum herzen, ja er wurde mir im Grunde schon schmackhaft gemacht, so heikel die Situation auch war. Ich habe mich vom Krankenbett über diesen S-ICD informiert und habe eingewilligt. Ich lag dann noch weiter 2 Wochen auf Station, da ich noch eine Lungenentzündung durch das Koma bekommen habe und überhaupt erstmal wieder zu Kräften kommen musste.
Am 23.November 2010 hat man mir dann ohne Komplikationen den S-ICD implantiert und nach 3 Tagen durfte ich nach Hause, bzw. zur Anschlußheilbehandlung in Timmendorfer Strand. Ich war schon etwas erschrocken, wie groß er ist und es fühlte sich an, als wenn ich da ein 2 Kilo Paket an der Seite habe. Nach ein paar Tagen hatte ich zwar noch Narbenschmerzen, hab mich aber schnell nach ein paar Wochen an meinen neuen Freund gewöhnt. Nur leider an alles andere nicht! Ich hatte Probleme draußen in der Öffentlichkeit zurecht zu kommen. Bin draußen mit einem grausamen Gefühl im Bauch herumgelaufen, gesenkter Kopf und sobald ich in eine Gruppe von Menschen oder engen Räumen war kam Panik auf. Meine Pumpfunktion lag nur noch bei EF 20 - 25 % und ich fühlte mich bei leichten Belastungen völlig erschöpft, als wenn mir jemand den Boden unter den Füssen wegreißen will. Man hat mich in der REHA diesmal mit Samthandschuhen behandelt, durfte nur ganz wenige Übungen mitmachen, Pulsfrequenz nicht über 80 kommen. Nach der REHA habe ich versucht wieder der alte zu werden, was mir leider bis heute nicht gelungen ist. Meine Freundin hat das Weite gesucht, Fitnessstudio geht gar nicht mehr, beim Joggen bekomme ich Panik, sobald der Puls hochgeht, meinen Job als Immobilienmakler konnte ich wegen einem 6 monatigen Fahrverbot nicht ausüben und alles war grausam. Habe bis heute auch wieder 14 Kilo zugenommen. Im Februar 2011 bin ich dann in eine Herzsportgruppe eingetreten, was mir auch wirklich gut getan hat. Mittlerweile war meine Herzleistung wieder auf ca. 38%, ich lebe mit meinem S-ICD, spüre ihn so gut wie gar nicht und kann sogar auf der Seite schlafen, wo er implantiert ist. Ich wurde immer mutiger, was Belastungen angeht und war auf einem steigenden Ast.
Nun habe ich am 26. Mai 2011 beim Herzsport wieder das selbe wie im November erleben müssen. Meine Pulsuhr schlug während des Entspannungstrainings an, mir wurde wieder sauübel, ich war kurz davor das Bewusstsein zu verlieren und dann bekam ich einen Schlag, ich habe laut aufgeschrien und innerhalb von Sekunden ging es mir wieder besser. Beim Auslesen des Defi´s wurde Kammerflattern mit Schockabgabe aufgezeichnet. Ich muss dazu sagen, dass mein Defi nur auf solche Vorfälle programmiert oder ausgelegt ist. Bei einem Puls von 210 (Kammerflattern ) fängt er an aufzuzeichnen und wenn die Episode sich nicht bessert, gibt er bei 230 einen Schock ab.
Ja ich bin sehr froh, dass es alles so gut funktioniert hat, nur kommen meine ganzen Ängste, die ich schon wieder beseitigt hatte alle wieder hoch. Mache angebunden an das Universitäre Herzzentrum Hamburg jetzt auch eine Verhaltenstherapie mit einer sehr guten Psychologin. Seit dem geht es eigentlich wieder bergauf, langsam aber es wird. Gegen meine Rythmusstörungen muss ich nun seit 1,5 Wochen Amiodaron einnehmen, erstmal 600mg und die Dosis wird in den nächsten 6 Wochen auf 200mg herabgesetzt.
weitere Medikation :
ASS 1-0-0
Ramipril 2,5 1-0-1
Metoprolol 47,5 1-0-1
Inspra/Eplerenon 25 1-0-1
Inegy 10/40 0-0-1
Ich lasse den Kopf auf keinen Fall hängen und die Rentenversicherung hat mir nun auch Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt. Am 01.08. geht es sogar schon los und ich werde da erstmal bei der FAW www.faw.de an einer beruflichen Neuorientierung teilnehmen. Bin da guter Hoffnung!
Hoffe, ich hab nicht zu viel geschrieben, aber es ist toll das erlebte einmal niederschreiben zu können.
Bis denn, Oliver
Diagnosen :
- STEMI der Vorderwand bei 1-Gefäß-KHK
- Aneurysmatische Aufweitung des Apex
- mittelgradig eingeschränkte LV_Funktion
- Reanimation bei Kammerflimmern
- S-ICD Implantation
- pAVK Stadium I - II beidseitig
- 2 Kammer-ICD mit Schrittmacher Implantation