Jung, gesund, S-ICD als Absicherung, ev. Explantation in 4 Jahren

#1
Hallo
Ich bin 38, sportlich und gesund bis auf einen plötzlichen Herztod bei sehr intensivem Krafttraining vor 2 Wochen, den ich wg. sofortiger CPR von zwei Notfallmedizinern und Defi nach ca. 4 Minuten schadlos überstanden habe.
Im Vergleich zu vielen Anderen in diesem Forum hab ich also keinen Grund, mich zu beschweren ;-)
Trotzdem interessiert es mich, ob es Andere gibt, die ähnlich dran sind.
Ich werde mir nächste Woche einen S-ICD einbauen lassen und habe die berechtigte Hoffnung,dass es sich in meinem Fall um ein "einmaliges elektrisches Ereignis" handelt, so dass der Tickermann nur eine Lebensversicherung ist, die mich ein paar Jahre absichert und dann durch die bis dahin gesammelten Daten statistisch irrelevant wird und wieder rausgebastelt werden kann.
Sollte es anders kommen ist´s halt so,aber die Hoffnung stirbt zuletzt ;-)

Gibt´s jemanden in einer ähnlichen Situation?

Vielen Dank!

Re: Jung, gesund, S-ICD als Absicherung, ev. Explantation in 4 Jahren

#2
Wenn´s einmal passiert ist, könnte es ja theoretisch wieder passieren. Wieso also ersatzlos "rausbasteln" lassen... - trotz "Sekundärimplantation" wie man das nennt...
Ich hatte Kammerflimmern im Abstand von 5 Jahren. Allerdings hab ich ein "vorgeschädigtes" "krankes" Herz, aber trotzdem...


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Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, 4xOP am offenen Herzen, Herzinsuffizienz 2. Grades, Z.n. überlebtem Plötzlichem Herztod 2007, anschließend Defibrillatorimplantation, 2011 und 2012 Ballondilatation mit Stentimplantation in den Pulmonalarterien, 2012 Kammerflimmern

Re: Jung, gesund, S-ICD als Absicherung, ev. Explantation in 4 Jahren

#4
Hi EviGirl

Das hat 2 Gründe: Erstens habe ich einen Beruf, den ich nur ohne Defi ausüben kann, d.h. ich habe jetzt erst mal Zwangspause. Zweitens habe ich viel mit Risikoassessment zu tun und es kann eben in der Gesamtbetrachtung der Risiken und der Vorteile der beiden Möglichkeiten mit/ohne Defi durchaus sein, dass es irgendwann vernünftiger ist, ihn auszubauen.
Aber das ist ja momentan gar nicht das Thema und würde es nur werden, wenn die nächsten 4 Jahre alles gut geht und darüber hinaus auch ein eliminierbarer Grund für den plötzlichen Herztod gefunden wird.
Jetzt bin ich also erst mal sehr froh, dass ich den S-ICD kriege!

Mich interessiert viel mehr, wie Betroffene wie ich, die eben außer dem elektrischen Problem nichts haben, mit der Situation umgehen. Ich habe (oder hatte) eine Vielzahl von Hobbys, wie Skydiven, Paragliden, Tauchen, Kiten, Mountainbiken, Motorradfahren, Skifahren etc., die ja alle ihre aufregenden Momente haben können.
Gibt´s hier jemanden, der ähnlich drauf ist und vielleicht schon Erfahrung damit gesammelt hat, was noch so möglich ist? Laut den Doc´s (ich habe flächendeckend in Deutschland fast 10 verschiedene Meinungen eingeholt, die im Prinzip alle gleich waren, bevor ich entschieden habe, ob und was ich mir da reinbauen lasse) kann ich ja nach einer vernünftigen Rekonvaleszenz einfach so weitermachen wie bisher.
Wie sieht´s psychisch aus? Kann jemand darüber berichten, ob er Hemmungen hatte oder - viel besser - eben nicht?

Liebe Grüsse,
der Windnarr

Re: Jung, gesund, S-ICD als Absicherung, ev. Explantation in 4 Jahren

#5
Ich sehe das kritisch mit der Explantation.
Dir ist es 38 Jahre vorher nicht passiert, obwohl du laut aktueller Meinung der Ärzte gesund bist. Wer garantiert dir, dass es nicht ein zweites Mal passiert? In 5 oder 10 oder 20 Jahren? Auch wenn das Risiko minimal ist... Die Wahrscheinlichkeit, einen plötzlichen Herztod zu überleben, ist auch minimal. Hatte selber das Glück, es zu überleben und würde das Glück kein zweites Mal herausfordern wollen. Auch meine Ärzte gehen davon aus, dass mir so was nie wieder passieren wird. Aber garantieren kann das niemand.
Ich habe meinen Defi zwar erst ein halbes Jahr, aber trotzdem gibt er einem einfach die Sicherheit, dass für den Fall eines weiteren Herztodes sofort ein Schock abgegeben wird. Anfangs trug ich einen externen Defi in Form einer Defi-Weste, die nur beim Duschen abgelegt wurde. Was meinst du, wie unwohl ich mich bei jedem Duschen gefühlt habe? Weil ich einfach wusste: wenn jetzt etwas passiert, war's das wohl... Mein Chirurg hat nach meiner OP auch von einer möglichen Explantation gesprochen in 10 Jahren. Am Anfang spielte ich mit dem Gedanken, aber mittlerweile schließe ich diese Option für mich aus!
Deine sportliche Aktivitäten kannst du so lange weiter ausführen, wie dein Herz gesund ist. Der Defi ist kein Hinderungsgrund. Ich war selbst bis zu meinem plötzlichen Herztod aktive Fallschirmspringerin. Wegen dem Defi müsste ich mir keine Sorgen machen. Wegen meiner Grunderkrankung sollte ich allerdings nicht mehr springen. Habe diesbzgl. einen Techniker von Medtronic bei der OP gefragt. Technich spricht nix dagegen.
Wegen deiner Arbeit musst du letztendlich wissen, was dir wichtiger ist. Ich würde die Explantation auf keinen Fall vom Job abhängig machen. Viele Menschen können irgendwann ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausführen. So schlimm das manchmal sein mag, es gibt aber immer einen Weg und eine Lösung, aber deine Gesundheit bzw. dein Leben gibt dir niemand zurück.

Re: Jung, gesund, S-ICD als Absicherung, ev. Explantation in 4 Jahren

#6
Hi Stephi

Vielen Dank für Deine Meinung.
Angenommen, man könnte z.B. Extrasystolien, die reentry fähig sind, durch eine Ablation eliminieren, dies würde auch über einen gewissen Zeitraum so bleiben und man hätte damit mit hoher Wahrscheinlichkeit die zugrunde liegende Problematik des plötzlichen Herztods gefunden: Würdest Du auch in diesem Fall eine Explantation für Dich ausschließen?

blue skies,
Windnarr

Re: Jung, gesund, S-ICD als Absicherung, ev. Explantation in 4 Jahren

#7
Lieber Windnarr,

deine Psychohygiene scheint hervorragend zu funktionieren, Glückwunsch! Manchmal würde ich mir wünschen,auch so rational über meinen Defi und vor allem die dahintersteckende Grunderkrankung denken zu können.
Ich kann auch verstehen, dass du gerne jetzt schon Pläne für die Zeit in vier Jahren machst.
Aber finde dich doch erstmal in deine jetzige Situation ein und verarbeite diese, vier Jahre sind lang und du hast noch viel Zeit.

Ich habe gemerkt welche Ängste ich bei denen die mich liebhaben ausgelöst habe als es mir so schlecht ging.
Das kann man nicht immer ignorieren, es gehört zum Leben dazu.

Meine beiden Kinder 17/19 waren ganz schön verspult als es akut war, meine beste Freundin musste sehr viel Schokolade essen in der Zeit, mein Mann war mehr ein Zombie, meine alten Eltern plötzlich die weniger Klapprigen...
Das war ein seltsames Gefühl. Ich würde es bei der Risikobewertung mit einfließen lassen.
Alle sind sehr froh dass ich den Defi habe. Allein schon dafür lohnt er sich.

Und erfahrungsgemäß wird sich ein Ereignis, das du einmal erlebt hast, eher nochmal wiederholen, selbst wenn es dadür keine medizinische Erklärung gibt.
Beim nächsten Mal hast du dann vielleicht nicht so viel Glück....

P.S. Meines Wissens nach kannst du außer Tauchen alle obigen Sportarten weiter betreiben...übers Motorradfahren denke ich gerade selbst nach, das könnte tatsächlich sein dass ich einen meiner Lebensträume, mit der Enduro durch Island zu fahren, begraben werde....aber besser, als wenn ich jetzt begraben werden muß ;)
Und beruflich....da kann dir wohl keiner was raten?! Auch da mussten/ müssen viele umdenken....



Re: Jung, gesund, S-ICD als Absicherung, ev. Explantation in 4 Jahren

#8
    Zitat: windnarr
    Hi Stephi

    Vielen Dank für Deine Meinung.
    Angenommen, man könnte z.B. Extrasystolien, die reentry fähig sind, durch eine Ablation eliminieren, dies würde auch über einen gewissen Zeitraum so bleiben und man hätte damit mit hoher Wahrscheinlichkeit die zugrunde liegende Problematik des plötzlichen Herztods gefunden: Würdest Du auch in diesem Fall eine Explantation für Dich ausschließen?

    blue skies,
    Windnarr
Hallo Windnarr,

mein Fall liegt leider anders, eine Ablation würde bei mir keinen Sinn machen. Insofern stellt sich mir die Frage erst gar nicht. Über "was wäre wenn-Szenarien" zerbreche ich mir nicht mehr den Kopf und daher kann ich dir die Frage auch nicht beantworten.
Was ich grundsätzlich sagen wollte: ich tu mir schwer damit, mit Risiko-Abwägungen zu arbeiten, wenn es möglicherweise um ein Menschenleben bzw. um das eigene Leben geht. Was sagen Wahrscheinlichkeiten für ein einzelnes Leben aus? Nichts. Der Wahrscheinlichkeit nach wäre ich jetzt eigentlich nicht mehr Leben, bin ich aber. Die Wahrscheinlich ist sehr gering und ähnlich gering ist die Wahrscheinlichkeit, dass so ein Ereignis nochmal auftritt.
Ich verstehe durchaus deine Gedankengänge, weil es mir damals am Anfang auch so erging und ich mir dachte, dass ich das Ding bei nächster Gelegenheit wieder loswerde. Aber mittlerweile sehe ich das anders und vielleicht ändert sich deine Sichtweise ja auch im Lauf der Zeit.
Im Prinzip ist doch der einzige Grund, warum du über eine Explantation nachdenkst, dein Beruf oder? Ansonsten hast du ja - vor allem, wenn dein Herz ansonsten gesund ist - keinerlei Einschränkungen und kannst so weiterleben wie bisher !?
Gäbe es da keine Alternativen für dich?

Blue skies and always soft landings,
Stephi

Re: Jung, gesund, S-ICD als Absicherung, ev. Explantation in 4 Jahren

#9
Es ist halt so, daß falls Kammerflimmern ohne Defi passiert, die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, daß man es nicht überlebt - oder bleibende Hirnschäden davonträgt.


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Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, 4xOP am offenen Herzen, Herzinsuffizienz 2. Grades, Z.n. überlebtem Plötzlichem Herztod 2007, anschließend Defibrillatorimplantation, 2011 und 2012 Ballondilatation mit Stentimplantation in den Pulmonalarterien, 2012 Kammerflimmern

Re: Jung, gesund, S-ICD als Absicherung, ev. Explantation in 4 Jahren

#10
Hi Stephi und Evi(Girl) & others

Dankeschön für Eure Gedanken. Was die Implikationen für das Umfeld angeht: Das ist mir natürlich bewusst und ich versuche, da sehr feinfühlig drauf zu reagieren. Das habe ich nur alles nicht beschrieben, weil es ja eigentlich nicht das Thema des threads werden solle.
Die berufliche Seite ist mir auch nicht so wichtig, wie es anscheinend rübergekommen ist. Ich habe ihn supergerne gemacht, bin aber in keinster Weise abhängig davon.
Es geht mir im Prinzip um etwas Anderes, und das Gefühl kennt Ihr - soweit Ihr nicht zusätzlich unter irreversiblen anderen Herzerkrankungen leidet - sicher auch: Jetzt liege ich hier im KKH, kriege in drei Tagen meinen Toaster implantiert und bin ab dann ein Cyborg ;-)
Dafür bin ich erst mal ganz dankbar, aber dennoch treibt mich die Frage um, ob es überhaupt eine Chance gibt, in einigen Jahren auf diese Zeit zurückzublicken und das Ganze als eine abgeschlossene Episode meines Lebens betrachten zu können. Dürfte ja ein nachvollziehbarer Gedanke sein.

Dazu habt Ihr mir schon ein wenig eine Antwort gegeben: Auch Ihr hattet z.T. diesen Gedanken, habt ihn aber irgendwann nicht mehr weiterverfolgt. Das sagt mir Zweierlei (und please correct me if I am wrong!!!):
1.) Es scheint ein angenehmes Gefühl der Sicherheit mit dem Defi einher zu gehen
2.) Der Störfaktor wird mit der Zeit anscheinend so gering, dass man das Teil auch nicht für extrem geringe Rezidiv-Wahrscheinlichkeiten extrahiert kriegen möchte.

Sollte diese Annahme richtig sein wäre das ja eine tolle Nachricht für mich, der ich mich ja noch nicht wirklich mit dem Gedanken der "Unumkehrbarkeit" anfreunden kann.

Dennoch stellt sich für mich immer noch folgende Frage: WENN ein Grund gefunden wird, z.B. Extrasystolien, die immer aus ein und der selben Herzregion kommen und potentiell magnilen Charakter haben, und WENN diese Erscheinungen per Ablation persistierend eliminiert werden können, und WENN durch regelmässige Auslastungs-EKG´s in den Folgejahren das Nicht-mehr-vorhanden-sein dieser Extrasystolien immer wieder bestätigt werden kann,würdet Ihr Euch dann wirklich nicht mit dem Gedanken befassen, die ganze Episode als beendet zu erklären?

Und als Zusatzfrage: Würdet Ihr aus einer Eigenbeobachtung heraus sagen, dass man so etwas wie eine "psychische Abhängigkeit" dem Defi gegenüber entwickeln kann? (Keines Falls wertend gemeint, sondern rein symptomatisch!)

Danke nochmal, dass Ihr Euch die Zeit nehmt, meine ganzen kritischen Fragen zu lesen und sogar noch zu beantworten, das finde ich super nett! Sollte es Euch stellenweise zu versachlicht vorkommen: Das ist meine Herangehensweise, es ist aber nicht gefühllos gemeint, sondern liest sich höchsten bisweilen so. Es ist nur so, dass ich emotional sehr stabil bin, vor allem weil ich so wahnsinnig glücklich bin, dass ich noch (sogar schadlos) am Leben bin und einfach kaum Platz in mir ist für negative Gefühle. Hinzu kommt, dass ich das Gefühl, "dem Deibel von der Schipp gesprungen zu sein", schon des öfteren im Leben hatte und einfach eine sehr erfreute Verwunderung in mir trage, dass das nun schon wieder so gekommen ist, obwohl ich´s ja dieses Mal in keinster Weise darauf angelegt habe. Ganz im Gegenteil... Fitnesstraining ist ja eher ein Produkt der menschlichen Ratio, ich wäre in der Zeit lieber vom Halfdome gehüpft oder so ;-)

Also, thanks again und drückt mir am Dienstag die Daumen, auch unkomplizierte Operationen können smooth oder nicht so smooth verlaufen...

Windnarr