Das bin ich ;-)

#1
Hallo zusammen,

ich lese schon eine ganze Weile hier im Forum mit und habe viele Denkanstöße mitnehmen können und es hat mir in Krisenzeiten meistens gut getan, einfach zu lesen, wie es anderen Menschen mit ähnlichen gesundheitlichen Problemen in ihrem Alltag so geht.
Ich dachte, jetzt ist es einfach an der Zeit, "offiziell" dazuzustoßen und ich wollte mich gerne vorstellen.
Ich bin Lotta, 24 Jahre alt, Studentin und seit gut 1,5 Jahren begleitet mich ein subcutaner Defibrillator. Schon als Kind hatte ich Rhythmusstörungen und Ohnmachtsanfälle, die leider jahrelang fehldiagnostiziert wurden. Etwa seit 2008 befand ich mich in der Schublade "Psycho" und wurde entsprechend behandelt. Teilweise wurde ich mit Neuroleptika und Antidepressiva vollgepumpt, kein Arzt nahm meine körperlichen Beschwerden ernst und nach Kammertachykardien wurde ich mehrmals vom Rettungsdienst liegen gelassen oder aus der Notaufnahme sofort wieder nach Hause geschickt, nachdem Arztbriefe vom Psychiater durchgelesen wurden. Mir wurden von schwersten Persönlichkeitsstörungen bis hin zu Psychosen so ziemlich alle psychiatrischen Diagnosen unterstellt, was mich psychisch dann wirklich ruiniert hat. Jetzt habe ich eine massive posttraumatische Belastungsstörung und bekomme Panikattacken und Flashbacks, wenn ich nur einen Arzt von weitem sehe. Zum Glück habe ich mithilfe eines tollen Psychiaters und eines total kompetenten Kardiologen letzten Endes doch die richtige Behandlung bekommen.
Es hat sich herausgestellt, dass ich einen doppelten AV-Knoten hatte. Der wurde vor 3 Jahren abladiert. Seitdem habe ich leider ab und an AV-Blöcke II. Grades. Außerdem wurde ein Mitralklappenprolaps, eine Trikuspidalklappeninsuffizienz und ein persistierendes foramen ovale diagnostiziert. Im Ultraschall und in den Blutwerten zeigten sich Hinweise auf eine Kardiomyopathie. Den Defi habe ich wegen Kammerflattern bekommen, das vermutlich wegen eines verborgenen Long-QT-Syndroms auftrat.
Es findet sich bei mir also so ziemlich die volle Palette. Mittlerweile habe ich auch eine Insuffizienz und meine Lunge funktioniert nur noch zu 50%. Nach einer Reanimation hatte ich ein Hirnödem und eine Hirnstammeinklemmung und war halbseitig gelähmt. Mittlerweile kann ich wieder alles bewegen, aber körperliche Belastung geht fast gar nicht. Zusätzlich treten regelmäßig epileptische Anfälle auf und ich bin mittlerweile schwerbehindert (GdB 100).
Ich habe fast mein komplettes vorheriges Leben und soziales Umfeld verloren (Leistungssport, Arbeit beim Rettungsdienst, ein "typisches" Studentenleben) aber habe weiter studiert und mache nun dieses Jahr meinen Abschluss.
Ich hoffe, mich hier austauschen zu können und vielleicht auch den ein oder anderen Kontakt knüpfen zu können - Leute aus dem Raum München sind herzlich eingeladen, sich bei mir zu melden!

Ich bin froh, dass es so ein Forum gibt!
Liebe Grüße,
Lotta






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Re: Das bin ich ;-)

#2
Hallo Lotta! Willkommen im Forum!
Ich finde es super, daß du trotz deiner Krankengeschichte weitermachst und deinen Abschluß machst!
Auch mir wurden Panikattacken und Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. So eine Art Flashbacks habe ich auch hin und wieder erlebt, aber hierzu gibt es keine Diagnose.
Ich wünsche dir alles Gute!


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Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, 4xOP am offenen Herzen, Herzinsuffizienz 2. Grades, Z.n. überlebtem Plötzlichem Herztod 2007, anschließend Defibrillatorimplantation, 2011 und 2012 Ballondilatation mit Stentimplantation in den Pulmonalarterien, 2012 Kammerflimmern

Re: Das bin ich ;-)

#7
Liebe Lotta, willkommen.

Es macht mich betroffen, dass es Menschen gibt, denen durch Fehldiagnosen derartiges Unrecht geschieht. Umso wichtiger, dass du jetzt anscheinend in guten Händen bist.
Wie wichtig das ist, ist mir nach deiner zusammengefassten Schilderung einmal mehr klar geworden.

Bei dem was du alles erlebt hast, musst du eine verdammt starke Persönlichkeit sein, wenn du immernoch den Mut, den Willen und die mentale Kraft hast weiter zu machen, dich weiter zu bilden, dein Studium abzuschließen, an deinen Ängsten zu arbeiten, etc.

Ich finde das super :-) und ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg.


Viele Grüße,
Christine



Wenn wir aufhören zu Leben, weil wir uns vor dem Tod fürchten, dann sind wir schon gestorben.

"Wir sind die Borg. Wiederstand ist zwecklos." ^^

Re: Das bin ich ;-)

#8
Ganz lieben Dank euch allen für die nette Aufnahme ins Forum und die vielen lieben Worte! Ich bin fast ein wenig sprachlos angesichts der positiven Rückmeldungen. Von Ärzten hört man sowas leider selten und auch in meinem näheren sozialen Umfeld wo sonst niemand "krank" ist, werden viele Dinge einfach als selbstverständlich angesehen.
Klar, dass ich mein Studium in Regelstudienzeit und mit guten Noten schaffe, keine Frage dass ich mal Vollzeit arbeiten gehe, natürlich bin ich immer gut gelaunt und bekomme alles gut hin...ich finde das manchmal so surreal, wenn man sich überlegt, dass ich teilweise nach Kammerflattern und einer Woche Intensivstation aus dem Krankenhaus spaziert bin, als sei nichts gewesen - mit der U-Bahn nach Hause, die Tasche selbst getragen etc. und mich selbst noch dafür fertig gemacht habe, dass ich zu wenig Leistung bringe. Ich hatte ja auch angeblich nichts - ich war ja kerngesund...

Auch heute nach der Diagnose sehe ich mich noch oft zwischen den beiden Welten hin und hergerissen. Auf der einen Seite möchte ich auch gesund sein und normal behandelt werden, wie jeder andere auch. Andererseits kann ich meinen Ansprüchen oft nicht gerecht werden und verzweifle dann, wenn etwas nicht so klappt, wie ich es mir vorgenommen habe. Ich muss mir dann oft selbst sagen: "Stop, jetzt tritt mal einen Schritt zurück und schau dir ganz nüchtern an, wie die Situation wirklich aussieht...". Das hilft meistens. Aber hin und wieder kommt dann doch so ein seltsames Gefühl auf, als ob das alles gar nicht mir passiert ist - Ich könnte doch den Defi einfach explantieren lassen, ich bin doch topfit! Und zwei Tage später liege ich zitternd und weinend nach der nächsten Tachykardie im Bett und will am liebsten alles hinschmeißen...
Vielleicht kennt der ein oder andere von euch auch solche Situationen?

Liebe Grüße an alle,
Lotta <>






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Re: Das bin ich ;-)

#9
Hallo Janna - Lotta,

auch von mir ein willkommen im Club. Auch mir geht es manchmal so, dass so zwischendurch hochkommt, es gut so gut und im nächsten Moment spielt der Körper (manchmal auch nur das Hirn) wieder vollkommen verrückt.
Lass Dich nicht davon unterkriegen.

beste Grüße
EDe

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