Muss es einfach mal rauslassen !

#1
Eigentlich bin ich ein sehr realistischer Mensch aber im Moment bin ich an Mir und meinem Verstand zu (Ver)zweifeln.Es ist jetzt fast 1 Jahr her dass ich morgens fast nicht mehr aufgewacht bin - PHT. Einige Tage künstliches Koma, Defi Implantation,Anschlußheilbehandlung und seitdem im Krankenstand,Renne von einem Arzt zum nächsten. Diagnose: Long QT Syndrom 190 mg Beloc Zoc täglich,leichte Hirnleistungsschwäche, und ein ständiges Ungleichgewicht/Schwindelgefühl.Bin auch in Behandlung und immer noch krankgeschrieben. Mein 2. Problem sind meine Mitmenschen/Familie.Alle behandelm mich als ob ich aus Porzelan wäre und alles Mögliche "kann" oder "darf" ich nicht mehr! Z.B. Schwimmen, skifahren,Achterbahn, und und und. . .
Selbst die Ärzte sind sich nicht einig. Und mein Mann würde mich am liebsten in Watte packen - Hallo - Kannn ich mich ja gleich in die Kiste legen und warten bis alles zuende geht! Gestern war voll der krasse Tag für mich.Im Moment sind ja Ferien und ich würde wahnsinnig gerne ins Maximare Freizeit- Spassbad in Hamm fahren und einen schönen Tag haben,einfach austesten was geht und was nicht - wird mich schon nicht gleich der Schlag treffen !
Wie gehen Eure Familien eigentlich mit Eurer Krankheit um ?
Ich hab gestern einfach mal wieder rumgeheult und habe dieses Gefühl auch nicht unter Kontrolle was mich sehr ärgert,weil ich das gar nicht möchte, Es ist einfach zum ko....
Es hilft mir aber schon mal hier alles rauszulassen - Danke fürs zuhören - Schön dass es Euch gibt !!!

Wollte man warten, bis man etwas so gut könnte,
dass niemand etwas daran auszusetzen fände,
brächte man nie etwas zuwege.

Re: Muss es einfach mal rauslassen !

#3
Hallo Claudia,
ich kann Dich ungeheuer gut verstehen! Ich selbst habe eine Erkrankung, die von den Symptomen her Deiner sehr ähnlich ist: ARVC. Therapiert wird mit Sotalol, hat ne ähnliche Wirkung wie Beloc. Auch ich bin (seit Juni 2009) krank geschrieben. Zur Zeit bin ich wegen der Krankenkasse zur Reha, sonst gibts kein Geld mehr.
Tatsächlich sind viele anstrengende (körperliche wie psychische!) Tätigkeiten Gift für mein Herz. Dieses wissend, versuche ich mich entsprechend zu verhalten. Leider wissen die meisten Ärzte (AUCH KARDIOLOGEN!!!) mit meiner Erkrankung (therapeutisch) nicht viel anzufangen. Deswegen wird der Weg in die Berentung auch arg steinig werden. Aber - eben weil ich mich nicht so sehr aufregen soll und darf - ÜBE ich mich in Gelassenheit und versuche, auf andere (Familie, VdK, Hausärztin, ...) zu vertrauen.
Hinsichtlich Deines 2. Problems verhält sich meine Familie nicht ganz so schlimm, aber ich erlebe häufig auch überzogene "Bremsen".
Natürlich teste ich auch etwas aus: Schwimmen, Sauna, Kanufahren ..., aber versuche möglichst, nichts allein zu machen.
Ich find es auch richtig, dass Du ES RAUSLÄSSt. Ich hoffe, Du wirst da den richtigen Weg finden. Vielleicht kann man es auch umdrehen: Es tut doch auch gut, wenn andere um einen besorgt sind.
Bis bald

Michael


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Biotronik, Lumax340 VR-T XL; ARVCM, 59 J., www.arvcm.cabanova.de
Das beste Deutsch ist, das vom Herzen kommt. (Sprichwort)

Re: Muss es einfach mal rauslassen !

#4
hallo Claudia

ich kann nur das wiedergeben was Thorsten schon geschrieben hat.
Mein Arzt hat mir geraten alles das zu tun was ich möchte und wo ich Lust drauf hab. Ich hab ne DCM , und die bremst mich sowieso frühzeitig aus.
Sauna hab ich schon probiert, kein Problem, untere Bank, mit dem Schwimmen hader ich noch, kann dich so gut verstehen, war immer eine Wasserratte.
Aber ich glaub, auch wenn die meisten Ärzte sagen schwimmen no go, ich versuchs diesen Sommer , mit kleinen Zügen im Kinderbecken , aber natürlich nicht allein.
Denn sonst können wir uns wirklich nur in die Ecke setzen und warten was passiert. Bin seit einem Jahr in EU Rente und dieses Alleinsein macht mich verrückt.
Wünsche dir Mut, deine Wünsche auszuprobieren
(ich mir auch lach)
glg
Karin



Re: Muss es einfach mal rauslassen !

#6
Hallo Claudia,
auch ich kann dich gut verstehen. Manchmal hat man sowieso alles satt und keiner kann es einem recht machen. Natürlich weist du das deine Familie nur Angst um dich hat aber sie sollten dich trotzdem nicht in Watte packen.

Bleib stur und zieh dein Ding durch - laß dich nicht aufhalten.
Bei mir ist es oft genau umgekehrt. Dadurch das ich mit meinen Jungs alleine bin werde ich sehr selten in Watte gepackt. Aber das ist solange es mir gut geht auch ok. Die beiden brauchen halt ihre Mama.

Wir gehen einmal die Woche zusammen schwimmen habs mir gespart meinen Kardiologen zu fragen (bin sonst sehr gehorsam) aber es tut mir so gut und außer spazieren zu gehen ist mir nicht viel geblieben.
Also ran !
Ich wünsche dir und deiner Familie und natürlich allen anderen auch ein frohes Osterfest

Liebe Grüße Katrin



Re: Muss es einfach mal rauslassen !

#7
Hallo Claudia,

ein Kardiologe an der Uniklinik in Münster hat mal zu mir gesagt:

......und vergessen Sie auf gar keinen Fall zu LEBEN !

Ich glaube dieser Satz trifft den Sachverhalt wie kein anderer. Wir haben den Defi schließlich um weiterleben zu können und nicht um uns in Watte zu packen und wenn wir dann doch irgendwann mal sterben müssen ist das Leben einfach so an uns vorbeigezogen.

Gerade bei denen unter uns, die keine Leistungsminderung des Herzens haben, darf/muß man auch mal etwas wagen.

Ok, es könnte es jederzeit wieder passieren, es könnte beim Sport passieren, es könnte durch zu viel Stress passieren, es könnte auch passieren wenn ich mit meinem Fahrrad gerade einen Berg runterfahre oder es könnte gleich in der Wohnung passieren und brech mir auf der Treppe das Genick.

Wenn ich mich immer nur daran orientiere was passieren "könnte" dann bin ich auf keinem guten Weg. Meine Psychologin sagte mir mal, dass auch Verdrängung manchmal eine Lösung sein kann.

Für die Angehörigen ist es natürlich nicht leicht, die haben einfach nur Angst um dich. Wichtig ist sicherlich umfassende Aufklärung über die Krankheit, wir hatten damals mal einen gemeinsamen Termin beim Kardiolgen, bei dem wir wirklich alle Fragen stellen konnten, die uns beschäftigten. Das war eine wirklich gute Sache und hat auch viele Ängste genommen.

Ich wünsche Euch allen ein schönes Osterfest.
Gruß Eckhard



Re: Muss es einfach mal rauslassen !

#10
Hallo Claudia,

als ich 2003 meinen Defi neu bekommen habe, war ich am Boden zerstört. Ich war zwar schon immer Herzkrank, aber ich habe für mich immer gedacht, die Ärzte übertreiben, wenn sie meinen die Rhythmusstörungen könnten mir gefährlich werden. Ich bin daher damals eigentlich auch mit der Einstellung zum Herzkatheter gegangen, dass ich da hin gehe, denen zeige, dass sie sich irren und dann wieder heim gehe.
Gut, sie hatten sich nicht geirrt, wie ich während des Herzkatheters dann festellen musste.
Das Ende vom Lied war die Implantation des Defis zwei Tage später, nachdem man mir vor dem Herzkatheter noch nichtmal die Andeutung gemacht hatte, dass sowas kommen könnte.

Das erste Jahr war hart. Ich hatte ein 3/4 Jahr nur Schmerzen und mein damaliger Freund verließ mich nach ein paar Monaten u.a. weil er damit nicht klar kam.
Anfangs hatte ich sogar Angst davor in der Badewanne zu ertrinken!
In der Zeit habe ich auch sehr viel geweint und war sehr deprimiert.
Ich habe es dann aber trotzdem gemacht und war dann auch irgendwann wieder im Schwimmbad.
Mittlerweile muss ich sagen, habe ich eigentlich gar keine Angst mehr. Was kommt, das kommt und ich kann es nicht ändern. Mag natürlich auch damit zusammenhängen, dass ich noch nie geschockt worden bin.
Doch ich frage euch, was ist ein Leben in Angst wert? Warum sich das Leben, dass man noch hat, an dem man sich freuen sollte, durch Angst zerstören lassen?
Der Defi ist ja eigentlich dazu da Ängste zu nehmen, wie meine Ärzte auch immer wieder betont haben. Ich als Träger sah das am Anfang ganz anders, weil ich nur gesehen habe, was gerade ich als junger Mensch (damals 23), alles nicht mehr machen kann.
Das bringt einen aber nicht weiter und ich komme auch ganz gut ohne Volleyballspielen und Schlittschuh laufen aus, auch wenn ich zugeben muss, deswegen schon ein paar traurige Seufzer ausgestoßen zu haben.

Ich bin schon kreuz und quer durch Europa geflogen, ja sogar nach Ägypten und bin da versehentlich durch einen Metalldetektor gelaufen, weil sie denn von außen nicht sichtbar direkt hinter der Eingangstür eines Schiffes aufgestellt hatten... Ist aber nicht passiert, außer dass der Detektor gepiepst hat. Aber da habe ich mich schon ganz schön erschrocken. Die Ägyptenreise war Defi-mäßig gesehen eine echte Herausforderung, weil die an allen Ecken Metalldetektoren haben.
Aber ein wenig Zeichensprache, oder manchmal auch wortloses Umgehen der Selbigen, hat immer geholfen ;)

Was ich sagen will, lass dich durch die Angst nicht von Dingen abhalten, die du dich lediglich wegen des Defis nicht traust!
Akzeptiere den Defi als Schutzengel. Denn wenn wir mal weiterüberlegen, dann wären wir in den Fällen, in den der Defi nun anspringen würde, mit größter Wahrscheinlichkeit tot. Und zwar egal wo man ist.
Wenn es mich nun im Schwimmbad trifft, gibt es eine gewisse Chance, dass ich ertrinke. Ohne wäre es eh vorbei.
Wie gesagt:
Was kommt, das kommt und ich kann es nicht ändern.
Also mache ich das Beste daraus :)

Gerade die Anfangszeit ist schlimm, weil alles weh tut und man den Arm nicht bewegen kann, nicht richtig liegen, wenn man schlafen will, nicht sitzen,nicht lange spazieren gehen,...
Nach ca. 3-4 Jahren konnte ich auch wieder eine gewisse Zeit auf der Seite schlafen. Im ersten Jahr habe ich fast ausschließlich auf dem Rücken geschlafen, danach dann auf Rücken und Bauch.
Ich hoffe, dass es beim ersten Austausch nicht wieder so werden wird und dass der Austausch noch ein paar Jahre auf sich warten lässt.

Ich wünsche allen, die den Defi neu haben, ganz viel Kraft. Ich kann euch aus meiner Erfahrung nur sagen, es wird mit der Zeit alles besser!

Viele Grüße,
Christine



Wenn wir aufhören zu Leben, weil wir uns vor dem Tod fürchten, dann sind wir schon gestorben.
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