Re: Panikattacken

#72
Meine neueste Methode ist rückwärts rechnen und ungerade Zahlen von größeren abziehen, oder der Reihe nach eine Zahlenreihe von einer anderen abziehen. Die Gedanken beschäftigen, bevor sie nur noch um Symptome kreisen.... Ich muß aber schon dazu sagen, daß es besser geworden ist, und ich weiß nicht, ob ich das würgend über der Kloschüssel noch hinkriegen würde - mich mit Mathe abzulenken.
Vorwärts zählen hat jedenfalls nicht funktioniert - zu viel Platz für andere Gedanken nebenbei.


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Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, 4xOP am offenen Herzen, Herzinsuffizienz 2. Grades, Z.n. überlebtem Plötzlichem Herztod 2007, anschließend Defibrillatorimplantation, 2011 und 2012 Ballondilatation mit Stentimplantation in den Pulmonalarterien, 2012 Kammerflimmern

Re: Panikattacken

#73
Ich dachte immer, es hätte mir geholfen, mich an den ersten Herzstillstand zu erinnern. Für mich ist es, als wäre ich nicht dabeigewesen. Es ist wie eine Geschichte, die ich erzählt bekommen habe, im Nachhinein. Und doch ist es mein Leben, aus dem ich da beinahe geschieden wäre.
Nun habe ich ein weiteres Kammerflimmern (ja, ich rede immer noch vom zweiten, gottseidank) hinter mir. Diesmal kann ich mich an alles erinnern, doch diese Erinnerungen haben mich lange Zeit bis in meine Träume verfolgt, mich geängstigt, mich in Panik versetzt. Die Erinnerungen an beide hat mein Körper so gut abgespeichert, daß mir die Seele durch Panikattacken weitere Notfälle vorgaukeln kann.
Aber ich bin auf dem Weg der Besserung. Ich lerne, mich abzulenken und damit umzugehen, ich lerne, daß nicht jedes Symptom ein Drama sein muß.
Danke für eure Aufmunterungen und euren Beistand auf dem langen schwierigen Weg.


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Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, 4xOP am offenen Herzen, Herzinsuffizienz 2. Grades, Z.n. überlebtem Plötzlichem Herztod 2007, anschließend Defibrillatorimplantation, 2011 und 2012 Ballondilatation mit Stentimplantation in den Pulmonalarterien, 2012 Kammerflimmern

Re: Panikattacken

#74
Liebe Evi,

manchmal weiss ich nicht was besser ist.. sich erinnern oder nicht?
Ich kann mich an gar nichts erinnern und sehe das für mich als Vorteil.

Jedoch ist es so, egal ob man sich erinnert oder nicht, ist es ganz hintem im Kleinhirn gespeichert. Ich kenne diese Ängest und auch Panikatacken, die ich aber so gar nicht zuordnen kann. Zum Glück habe ich da eine ganz tolle Therapeutin.

Jeder sucht sich seine Ablenkung und das ist ganz wichtig!
Bei mir ist es Musik und wenns ganz schlimm kommt, dann telefoniere ich.
Ich glaube ganz wichtig dabei ist, es rauszulassen.

Ok, klappt auch nicht immer bei mir und kenne diese Situation über der Kloschüssel :-(

Mach weiter so und finde es toll, dass Du dich so offen mitteilst! :-)

Re: Panikattacken

#75
Danke dir. Mir hilft auch telefonieren in schlimmen Momenten.
Mit euch zu schreiben ist gut. Ihr wißt, wovon ich rede. Ihr kennt das alles auch. Anfangs wollte ich ansonsten nicht offen damit umgehen, aber dann habe ich eingesehen, daß das doch besser ist für mich. Ich bin überall auf verständnisvolle Leute gestoßen. So wirklich nachvollziehen könnt wohl nur ihr es vielleicht. Ich selber oft nicht so ganz. Aber ich arbeite hart an mir, ich will es schaffen, ich will meine Ängste und Panikattacken loswerden, und ich suche meine Wege dafür.
Wichtig ist es, habe ich gelernt, auf die positiven Dinge zu schauen. Sich auf die Erfolge und das, was man schafft, zu konzentrieren. Statt sich hängenzulassen, weil mal wieder was nicht geklappt hat.
"Nur" wegen der Ängste so krank zu sein, daß ich morgens (mittags, abends, immer wieder halt) würgend über der Kloschüssel hing, zitternd und käsebleich mit schwarzen Ringen unter den Augen im Bett lag... Ich konnte schwer glauben, daß mir nicht sonst auch noch etwas fehlt.
Danke dir.


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Re: Panikattacken

#76
Liebe Evi,

ich wünsche dir weiterhin die Kraft gegen die Angst zu kämpfen.

Es ist schwer immer wieder damit konfrontiert zu sein, dass man nicht 'normal' ist und dass man vielleicht nicht immer so kann, wie man gerne wollen würde.
Für mich ist diese Konfrontation manchmal schlimmer als die Tatsache, dass ich etwas nicht machen kann, weil mein Körper da nicht mit macht.
Ich weiß nicht, ob jemand das versteht.

Als Teenager war es für mich der Weltuntergang zu hören, dass ich Tabletten schlucken soll. Was hab ich da geheult. Aber eben nicht, weil ich keine Tabletten schlucken wollte, oder wegen der Nebenwirkungen, sondern weil die Notwenigkeit Tabletten zu nehmen mir vor Augen führte, dass ich anders war.
Ich wollte aber nicht anders sein, sondern einfach leben wie alle anderen auch.
Ich denke, den Wunsch hat jeder und es ist auch normal und gut so, dass man ihn hat, weil er auch wie ein kleiner Motor ist, der dich antreibt und egal was auch kommt, dich wieder voranstreben lässt, wenn etwas dich zuvor zurück geworfen hat.

Angst, das ist so eine Sache. Sie darf halt nicht zum Lebensinhalt werden bzw. unverhältnismäßig.
Dass das nicht so leicht ist, weiß natürlich auch ich. Ich hab mich nach meiner Erstimplantation 2003 ziemlich alleine gefühlt und hatte viele Ängste mit denen ich erst einmal klar kommen musste.
Das Angstgefühl wurde mit den Monaten und Jahren die vergingen und in denen nichts passierte, immer weniger und war schließlich beinahe vollkommen verschwunden.

Und dann kam der Schock im letzten Jahr.
Ich für mich muss allerdings sagen, dass das eine wichtige Erfahrung war. Ich weiß jetzt, dass ich vor dem Schock selbst keine Angst zu haben brauche und dass er für mich etwas ist, dass ich relativ gut hinnehmen kann. Mich verfolgt weder das Schockerlebnis noch habe ich damals wirklich Probleme mit dem Kammerflimmern während des Herzkatheters gehabt.
Das sind keine Erlebnisse die ich immer wieder durchmachen muss, wie das bei manch anderem der Fall ist.
Dafür bin ich auch sehr dankbar. Auch dafür, dass meine Ängste vom Anfang nicht zurück gekehrt sind. Ich denke, ich habe mittlerweile verstanden, dass diese eben unverhältnismäßig waren.

Ich bin sogar auch ein bischen dankbar, dass es den Schock gab, weil man mir immer gesagt hat, dass man nicht weiß, ob ich den Defi brauche. Jetzt weiß ich es und ich weiß, dass ich all das was mit dem Defi zusammenhängt nicht umsonst über mich ergehen lasse.

Angst habe ich eigentlich weiterhin nicht so richtig, aber ich bin ein wenig vorsichtiger geworden und ein bischen Unsicherheit bleibt, ob ich einen evtl. zweiten Schock als genauso 'harmlos' empfinden würde.
Vorsicht hat natürlich auch irgendwo etwas mit Angst zu tun, das ist mir klar, aber auch mit Vernunft, was ansonsten bei Angst ja nicht unbedingt Hand in Hand gehen muss.
Mir ging es nach dem Schock ein paar Wochen nicht so gut, weil sich das Herz erst einmal von dem Ereignis erholen musste, nehme ich an.
Das würde ich zukünftig natürlich gerne vermeiden, allerdings nicht um jeden Preis.
Ich will ja auch leben ;)

Ich beobachte an mir, dass ich in letzter Zeit bei Feiern, weniger oder gar keinen Alkohol mehr trinke und dass ich viel mehr darauf achte, meine Tabletten in etwa im 12h Abstand zu nehmen. Es scheint mir vernüftig auf die Art ein übermäßiges Risiko zu vermeiden, dass es nochmal los geht.
Ich bin mir sicher, dass das damals eine nicht unwesentliche Rolle gespielt hat.
Auch ansonsten bin ich mit meiner Belastungsgrenze etwas vorsichtiger geworden und mache nun im Zweifel dann doch lieber etwas weniger, bevor es nachher zu viel ist. Wenn ich z.B. nicht mehr tanzen will, weil ich atmen muss ;), dann können meine Mitmenschen jetzt auch noch so lieb 'bitte' sagen, dann bleib ich sitzen.
Muss ja nun wirklich nicht sein.
Mir fällt das manchmal nicht so leicht, vermutlich auch aus o.g. Gründen.

Ich will tanzen, weil es Spaß macht, weil ich mein Gegenüber mag, ich will kein Spielverderber sein und ein Teil von mir will weiterhin nicht zugeben, dass er nicht mehr kann, aber ich hab eingesehen, dass mir das nichts nutzt.
Wenn ich nicht mehr kann, kann ich nicht mehr. Egal wie betröpfelt die Anderen dann gucken, weil ich nicht mehr mitmache.

Das ist eigentlich auch immer ein Problem gewesen. Wenn es nur um mich alleine geht, dann weiß ich ziemlich gut, wann ich aufhören sollte. Ich muss das ja schon mein Leben lang einschätzen.
Gibt es aber äußere Faktoren, wie andere Menschen, die einen eben z.B. bitten doch noch eine Runde zu tanzen, dann lass ich mich manchmal dadurch dazu hinreißen meine persönliche Alarmanlage zu überhören. Ich schaffe es jetzt schon besser, mich dann da raus zu nehmen, aber es ist eben nicht so leicht.

Ich wünsche dir Evi, dass du es schaffst, deine 'unverhälnismäßigen' Ängste los zu werden. Du weißt selbst, dass sie dir das Leben nur noch schwerer machen, als es ohnehin schon ist.
Das Leben ist auch ohne das manchmal schon schwer genug ;)

Vielleicht ist die ganze Kunst sich selbst so weit im Griff zu haben, dass man es schafft normal weiter zu atmen, egal ob es einem gerade irgendwie schummrig ist, man es holpern spürt oder nicht. Angst/Aufregung/Panik, macht es in jedem Fall nicht besser.

Leicht gesagt, ich weiß. Ich greife mir seit letztem Jahr ja selber an den Puls, wenn ich merke dass es heftig rumpelt. Dabei versuche ich dann aber dennoch mental ruhig zu bleiben. Meistens gelingt das auch, manchmal muss ich mich aber auch aktiv dazu zwingen ruhig zu sein.
Ist ein bischen Situation- und Tagesformabhängig.

Wenn man sich aber eine Technik überlegt hat, wie man sich selbst beruhigen/ablenken kann, dann ist das glaube ich schon viel wert.
Wie immer die dann auch aussieht. Ich finde die Idee mit dem Rechnen, ist ziemlich gut. :-)
Allerdings muss man sich für die Situation mit der Kloschüssel wohl wirklich was anderes einfallen lassen, da würde ich auch nicht mehr rechnen wollen/können.

Naja, zumindest sitzt man entweder drauf oder davor, so dass einem wenigstens beim evtl. Umfallen nicht mehr viel passieren kann ;)
Man muss ja mal versuchen die guten Seiten zu sehen ;)

Ihr wisst ja: Humor ist, wenn man trotzdem lacht ;)

Liebe Grüße,
Christine



Wenn wir aufhören zu Leben, weil wir uns vor dem Tod fürchten, dann sind wir schon gestorben.

"Wir sind die Borg. Wiederstand ist zwecklos." ^^

Re: Panikattacken

#77
Ich kann ebenfalls sagen, dass ich keine Angst mehr vor einem neuerlichen Schock habe, hatte alles gut verkraftet. Ich mache mir aber bewußt keine Gedanken, dass ein nächster Schock schlimmer sein könnte!

Ich kann meine Grenzen recht gut einschätzen, ich tanze auch sehr gerne und wenn ich das Gefühl habe, es geht nicht mehr, sage ich eben, dass ich gerade nicht tanzen möchte oder kann....

Verreisen tue ich noch immer sehr gerne, trotz 2 Knieprothesen, Defi und Beatmungsgerät, dieses Jahr geht es auf eine Rundreise durch Tunesien, aber nur mit Erlaubnis meines Kardiologen, natürlich nur mit Auslandskrankenversicherung.


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Jutta43

Re: Panikattacken

#78
Danke, Christine!
Auch für mich war es übrigens erstmal ein: "Ohgott, jetzt bin ich ja wirklich krank!!", als ich anfangen mußte, Tabletten zu nehmen. Im Teeniealter ist das sicherlich nochmal schwerer zu akzeptieren, denke ich mir...
Dieses "sein Wollen wie alle anderen auch", wie du es beschreibst, kenne auch ich von mir. Besonders natürlich als Teenie, aber auch später noch. Immer Rücksicht auf Körper und Herz nehmen müssen... manchmal gelingt es so selbstverständlich, und manchmal ist es ein schwerer Verzicht mit Kompromissen, mal auch auf Kosten des Herzens.
Auch ich wollte tanzen, habe getanzt, mal auch, bis ich keuchend am Boden lag und betete, der Defi möge nicht losgehen.... Ist er nicht, aber das Herz hat ziemlich gepumpert - und zig Leute standen schockiert um mich herum. Ein zufällig anwesender Arzt hat mich gewarnt, es nicht so zu übertreiben, nachdem er meinen Puls gefühlt hat.... (das ist nun länger her, sicher vor dem letzten Schock)
Ich arbeite hart daran, daß die Angst nicht mehr mein Leben bestimmt, daß ihre Symptome nicht mehr das einzige sind, um das ich kreise. Ich habe wieder begonnen, Dinge zu unternehmen und zu planen. Und wie du schon schreibst, spielt die vergehende Zeit sicher eine große Rolle.

Gute Reise, Jutta!


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Re: Panikattacken

#79
Es geht mir erfreulicherweise wieder viel besser, körperlich wie auch psychisch.
Nächste Woche mache ich eine Gruppenreise mit (alle wissen Bescheid - es ist eine Therapiegruppenreise), auf die ich mich freue, aber ehrlich gesagt hab ich Schiß daß was ist mit dem Defi, oder mit dem Herzen... Ich versuche, mich aufs Freuen zu konzentrieren. Ich sollte mich doch eigentlich nur freuen, es wird doch mein heuriger Urlaub! Jedenfalls wird es eine lange Zugfahrt. Und vor Ort ist die nächste Klinik eine Dreiviertelstunde weit weg (was mich sehr beunruhigt). Aber ich will mich nicht länger von meinen Ängsten von allem abhalten lassen, was toll werden könnte!


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Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, 4xOP am offenen Herzen, Herzinsuffizienz 2. Grades, Z.n. überlebtem Plötzlichem Herztod 2007, anschließend Defibrillatorimplantation, 2011 und 2012 Ballondilatation mit Stentimplantation in den Pulmonalarterien, 2012 Kammerflimmern

Re: Panikattacken

#80
Hallo Evi,
gratuliere zu Deiner tollen Reise!
Du bist doch in guten Händen und jeder - oder der Leiter - weiß, was zu tun wäre, wenn.....Versuche mal abzuschalten, mir ist es gelungen, ich war nach der Implantation in
Mexiko und Marokko.
Auf der Fahrt nach Ungarn hat der Defi mir dann einen verpaßt und ich habe die Reise fortgesetzt, weil es mir gut ging und ich gar nicht wußte, dass ich besser mich im Krankenhaus untersuchen lassen sollte.
Nach dem Schock war ich noch in Kappadokien, London, Andalusien, Mallorca, Türkei und Ägypten. Ich darf das mit Erlaubnis meines Kardiologen und ich suche mir für jedes Land vorher das Krankenhaus in der jeweiligen Stadt raus, wo ich zumindest in der Nähe bin.....
denke positiv!!
Lass Dich mal drücken von Jutta


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Jutta43