Tavor hilft bei Herzrythmusstörung = Angststörung?

#1
Hallo Zusammen,

ich habe mal eine Frage in Zusammenhang mit dem Medikament Tavor.

Ich habe schon den ganzen Tag übelste Rythmusstörungen gehabt, d.h. nicht nur Extrasystolen, sondern richtig spürbare Salven mit einem Ohnmachtsgefühl. (Dazu gesagt waren das verlängerte Wochenende für mich alles andere als entspannend und sehr stressig).
Da ich das heute im Büro überhaupt nicht gebrauchen konnte, habe ich eben eine 0,5mg Tavor genommen und nach ca. 30 Minuten war wieder alles gut.

Die Frage ist jetzt: Tavor hat ja ganz offensichtlich die Rythmusstörungen beendet bei mir, ist aber ja so gesehen definitv kein Antiarrythmikum. Die Tatsache, dass es aber scheinbar bei mir dageben wirkt...deutet das nicht daraufhin, dass ich wohl in den letzten Monaten auch eine Angst-/Panikstörung entwickelt habe? D.h. die Rythmusstörungen kommen gar nicht jetzt allein von meiner Kardiomypathie, sondern werden werden vor allem von Stress & Co. getrigert? :-( Eigentlich war ich in dieser ganzen Krankenhaus- und Implantationsphase sehr stark, habe auch geschaut dass ich schnellstmöglich wieder in den Job komme, versuch mich körperlich durch Sport wieder aufzubauen und in Firma und Freundeskreis sind alle sehr beeindruckt, dass ich mich wieder so schnell "berappelt" habe...aber in mir drin sieht´s schon manchmal anders aus, das muss ich schon eingestehen.

Ich denke, viele hier haben ähnliche Probleme. Wäre dankbar für Eure Meinungen und Ratschläge, was man da am Besten tun kann.

Danke!
Olly



Defi seit 03/2013, Non-Compaction-Kardiomyopathie, Nebivolol + Procoralan


____________________
Defi seit 03/2013, Non-Compaction-Kardiomyopathie, 1,25mg Nebivolol

Re: Tavor hilft bei Herzrythmusstörung = Angststörung?

#2
    Zitat: Olly
    Hallo Zusammen,

    ich habe mal eine Frage in Zusammenhang mit dem Medikament Tavor.

    Ich habe schon den ganzen Tag übelste Rythmusstörungen gehabt, d.h. nicht nur Extrasystolen, sondern richtig spürbare Salven mit einem Ohnmachtsgefühl. (Dazu gesagt waren das verlängerte Wochenende für mich alles andere als entspannend und sehr stressig).
    Da ich das heute im Büro überhaupt nicht gebrauchen konnte, habe ich eben eine 0,5mg Tavor genommen und nach ca. 30 Minuten war wieder alles gut.

    Die Frage ist jetzt: Tavor hat ja ganz offensichtlich die Rythmusstörungen beendet bei mir, ist aber ja so gesehen definitv kein Antiarrythmikum. Die Tatsache, dass es aber scheinbar bei mir dageben wirkt...deutet das nicht daraufhin, dass ich wohl in den letzten Monaten auch eine Angst-/Panikstörung entwickelt habe? D.h. die Rythmusstörungen kommen gar nicht jetzt allein von meiner Kardiomypathie, sondern werden werden vor allem von Stress & Co. getrigert? :-( Eigentlich war ich in dieser ganzen Krankenhaus- und Implantationsphase sehr stark, habe auch geschaut dass ich schnellstmöglich wieder in den Job komme, versuch mich körperlich durch Sport wieder aufzubauen und in Firma und Freundeskreis sind alle sehr beeindruckt, dass ich mich wieder so schnell "berappelt" habe...aber in mir drin sieht´s schon manchmal anders aus, das muss ich schon eingestehen.

    Ich denke, viele hier haben ähnliche Probleme. Wäre dankbar für Eure Meinungen und Ratschläge, was man da am Besten tun kann.

    Danke!
    Olly



    Defi seit 03/2013, Non-Compaction-Kardiomyopathie, Nebivolol + Procoralan
Hallo Olly,

Tavor hat nicht deine Rhythmusstörungen beendet.

Du mußt das anders sehen.

Tavor hat dein Erregungszentrum im Kopf verändert und dein Kopf hat zu deinem Herz gesagt: "Keine Panik auf der Titanic, Junge, ist alles ok". (Einfach ausgedrückt).

DADURCH waren auch die Herzbeschwerden verschwunden.

Man kann das simpel so beschreiben.

Was macht Tavor in deinem Kopf? In deinem Herz macht es garnichts!

Diese Tablette wirkt ein auf dein GABA im Kopf.

Das GABA ist "ein chemischer Dämpfungsmechanismus für Nervenaktivitäten. Ohne ihn kann das Gehirn nicht vernünftig arbeiten. Erregungen würden endlos im Gehirn umhergeistern und jegliche Konzentration vereiteln. Es gibt ein fein austariertes Verhältnis zwischen hemmenden und aktivierenden Nervenimpulsen."

Tavor wirkt nun auf diesen natürlichen Dämpfungsmechanismus im Gehirn ein und dämpft noch ganz gewaltig stärker.

Dadurch ergibt sich ein leider nur künstlicher und zeitlich begrenzter Zustand des allgemeinen Wohlbefindens bis hin zur Euphorie.

Unruhe, Angst, Rhythmusstörungen, usw. verschwinden schnellstens.
Allerdings nur solange der Wirkstoff in Tavor, ein sogenanntes Benzoediazepin auf das natürliche GABA im Gehirn wirkt.

Läßt die Wirkung von Tavor nach, wundert sich sozusagen der natürliche Dämpfungsmechanismus im Gehirn (das GABA) und wird richtig unruhig.

Die Zustände, die Tavor vorübergehend beseitigt hat, kommen VERSTÄRKT zurück und es dauert eine Weile, bis sich das GABA ohne Tavor wieder eingependelt hat.

Dieses ist eine einfache Beschreibung der Wirkungsweise von Tavor und auch allen anderen Benzos, die es gibt. Valium, Lexotanil, und , und, und.


Je länger und in höheren Dosen man Tavor einnimmt, desto mehr spielt das natürliche GABA dann verrückt und es kommt zu schweren Entzugserscheinungen.

Deshalb sollte man Benzos IMMER stufenweise runterdosieren, falls man sie über LÄNGERE ZEIT genommen hat, denn das Gehirn ist ein sehr sensibler Teil des Menschen.

In Krankenhäusern wird Tavor gerne gegeben, damit Ruhe im Karton herrscht!

Ich meine, dass viel Bewegung ein wesentlicher Bestandteil zur Gesundung ist. Bewege mich aber leider auch zu wenig.

Grüße - Michael



Re: Tavor hilft bei Herzrythmusstörung = Angststörung?

#3
Meine Rhythmusstörungen sind bei Streß immer schlechter. Die Wirkung von Lorazepam (ich hatte Tröpfchen) ist bei mir allerdings eher gegenteilig. Ich denke, daß Entspannen gegen manche (leider nicht alle/immer) Rhythmusstörungen helfen kann. Leider schaffe ich das nicht immer.


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Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, 4xOP am offenen Herzen, Herzinsuffizienz 2. Grades, Z.n. überlebtem Plötzlichem Herztod 2007, anschließend Defibrillatorimplantation, 2011 und 2012 Ballondilatation mit Stentimplantation in den Pulmonalarterien, 2012 Kammerflimmern

Re: Tavor hilft bei Herzrythmusstörung = Angststörung?

#4
    Zitat: EviGirl
    Meine Rhythmusstörungen sind bei Streß immer schlechter. Die Wirkung von Lorazepam (ich hatte Tröpfchen) ist bei mir allerdings eher gegenteilig. Ich denke, daß Entspannen gegen manche (leider nicht alle/immer) Rhythmusstörungen helfen kann. Leider schaffe ich das nicht immer.
Lorazepam, also Tavor, kann auch eine sogenannte paradoxe Wirkung haben, wie viele Medikamente.

Selbst bei Kaffee kann es passieren, dass jemand anstatt munter müde davon wird.

Häufig ist das bei Überdosierung oder Missbrauch der Fall.

Ich würde aber trotzdem sagen, dass diese Medikamente bei den allermeisten Mensch so wirken, wie sie sollen, nämlich beruhigend, dämpfend und angstlösend.



Re: Tavor hilft bei Herzrythmusstörung = Angststörung?

#5
Hallo Olly,
aus eigener Erfahrung würde ich Deine Überschrift ' Tavor.....=Angststörung'
unterschreiben. Geade im ersten Jahr nach meinem plötzlichem Herztod und der Defiimplantation hatte ich Probleme, Ursache ud Wirkung zu unter- scheiden. Gerade in Phasen, in denen ichvon Rhythmusstörungen überzeugt war, ließ sich weder im EKG oder Defiprotokoll irgendetwas 'nachweisen'.
Mittlerweile habe ich mich dahingehend 'umgepolt', dass bis zum Beweis des Gegenteils derartige Empfindungen in die Kategorie 'Panikattacken etc.' gehören und so zu behandeln sind!
HERZliche Grüße Axel

Zitat eines guten Bekannten:
'Entscheidend bei der letzten Attacke war, dass ich sie zugelassen habe und mich in erster Linie beobachtet habe. Damit habe ich mich scheinbar geheilt, irgendwie war es ein Wunder'

Re: Tavor hilft bei Herzrythmusstörung = Angststörung?

#6
Danke Michael - verständlich und ausführlich erklärt.
Hatte in schweren Zeiten auch schon meine Hand in Richtung Tavor ausgestreckt, sie aber dann doch noch rechtzeitig zurückgezogen.

Ich weiß von einer Arbeitskollegin, daß Ihre greise Mutter mit nunmehr 92 Jahren im Krankenhaus einfach mal schnell Tavor verabreicht bekommen hat, damit "Ruhe im Karton" ist - das find' ich allerdings schon sehr grenzwertig.

Grüße von Carmen



Re: Tavor hilft bei Herzrythmusstörung = Angststörung?

#8
hey michael,
dass hast du ganz hervorragend beschrieben. absolut professionell und auf den punkt genau.
das letzte mal, als ich eine extra-portion oxacepam gebraucht habe, hat mein gehirn sich genau auf die von dir beschriebene weise verhalten.
ich hatte am abend vor meinem letzten defi-austausch fürchterliche angst. möchte fast sagen PANIK.
mein herz schlug sehr schnell, ich hatte rhythmusstörungen, mir war übel, ich bin sinnlos umher gelaufen und malte mir die schlimmsten dinge für den nächsten tag aus, ich hatte kopfschmerzen und schwank-schwindel. dann hats mir gereicht.
also oxazepam rein, und etwa 20 min. später waren alle beschriebenen symptome weg. ich konnte wieder klar und rationell denken und war unglaublich dankbar, von dieser störung befreit zu sein.
wie gesagt, muss die längerfristige einnahme immer ärztlich abgesprochen und wohl überlegt sein, denn wie michael geschrieben hat - diese medikamente machen schnell süchtig - und gaukeln dem gehirn die angenehme ruhe nur vor.


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Restriktive Kardiomyopathie, Zustand nach Reanimation bei Kammerflimmern und mehrfacher VT, Defi-Implatation 1998, Perikarderguss mit Herzversagen u. mehrstündiger Reanimation 1999

Re: Tavor hilft bei Herzrythmusstörung = Angststörung?

#9
Auch von mir vielen Dank an Michael für die tolle Antwort!

Aber nochmal klar gefragt, wären es "richtige" Rythmusstörungen, würden die nach Tavor-Einnahme vermutlich nicht verschwinden, ausser dass man dabei vielleicht etwas relaxter wäre? Im Umkehrschluss, wenn die Störungen durch Tavor verschwinden, sind diese vermutlich nur psychisch getriggert, ja? (Davon abgesehen, rein psychisch ist es so gesehen aber ja nicht, da ja eine gewisse organische Schwäche vorliegt...und die wird dann als Ventil genutzt).

Tja, dann muss ich mich wohl oder übel damit befassen, dass ich Hilfe für dieses Problem brauche. Nach meiner Einlieferung im Februar ins Krankenhaus machte ich im Übrigen da auch gar kein Geheimnis draus, dass ich beruflich wie emotional extrem gestresst war, das hat allerdings dort keinen interessiert, da man viel zu sehr beschäftigt damit war, über die x-te Untersuchung nun endlich den Herzfehler zu finden und den Defi einzusetzen. Einen Tag vor meiner Entlassung hatte ich dann sogar im Krankenhaus am EKG so einen "Anfall"...hat aber auch niemanden interessiert, da wurde nur gesag "Ach, ist nicht schlimm, in Ihrem Alter darf der Puls auch mal auf 130 springen, hier haben Sie eine Tavor".

@Axel: Normalerweise versuche ich auch, diese Anfälle zuzulassen. Die haben das aber offenbar auch gecheckt und kommen daher zu 99% in Situationen, in denen in sie nicht einfach zulassen kann, d.h. in Meetings im Büro oder noch lieber beim Autofahren (wo Tavor dann natürlich auch wieder ausscheidet).

Ich sehe eigentlich wie Michael auch in Sport/Bewegung die Lösung, das hat mich früher immer extrem ausgeglichen, vor allem aber die langen Regenerationsspaziergänge mit meinem Hund. Mit Sport bin ich nun aber momentan auch etwas zurückhaltend, da ich am Samstag in der Umkleide nach dem Training eine Tachykardie hatte - das war aber wohl die berechtigte Quittung, dass ich nach dieser langen Ruhephase nach einem recht harten Krafttraining auf dem Laufband auch noch bis 140 Puls gegangen bin. Interessanterweise bin ich in der Situation aber ziemlich cool geblieben, hab mich gemütlich auf die Bank gesetzt und mit der Pulsuhr beobachtet, wie der Puls sich soweit normalisiert hat, dass ich zum Auto gehen konnte. Im Auto dann noch mit meiner Frau telefoniert und als der Puls bei 80 war, gibg´s dann heimwärts ;-)

Abschließend möchte ich aber auch nochmal sagen, Tavor & Co. helfen ganz offenbar, sollten aber weder für mich, noch für andere hier eine Dauerlösung sein. Ich hätte bis vor einem halben Jahr niemals gedacht, dass ich jemals überhaupt sowas nehmen würde, mittlerweile denke ich aber, dass in manchen Situationen der Leidensdruck dann doch so groß ist, dass so eine Pille schon die Lebensqualität erhöht. Ersetzt allerdings nicht, dass man sich mit den eigentlichen Ursachen auseinandersetzen und diese lösen muss. Ich finde es auch sehr erschreckend, wie freizügig diese Medikamente im Krankenhaus verteilt wurden, mein Hausarzt hatte mir auch unaufgefordert gleich eine 50er-Packung aufgeschrieben...

Viele Grüße
Olly



Defi seit 03/2013, Non-Compaction-Kardiomyopathie, Nebivolol + Procoralan


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Defi seit 03/2013, Non-Compaction-Kardiomyopathie, 1,25mg Nebivolol