wieder eine adequate Schock-Abgabe

#1
Gestern war es mal wieder so weit, nach einer Woche Urlaub - Berlin - Polen - Ostdeutschland - waren meien Freund und ich auf dem Heimweg - mit dem Auto.

Nach einer Abendessen-Pause beim goldenen M wollten wir wieder auf die Autobahn und dann ging es los - ich hatte kurz ein komisches Gefühl in der Brust und das nächste an das ich mich erinnere war das ich sehr bewust träume und das mein Freund meinen Namen ruft - und diese krippeligen Schmerzen im ganzen Körper.

Dann war ich wieder wach - mein Freund neben mir mit angsterfüllten Augen
'Was ist los?'
wir führen in die nächste Einfahrt und atmeten beide erst einmal in aller Ruhe durch.

Es war das erste mal, das mein Freund miterlebt hatte, wie mein Defi arbeiten - wie ich in einem Zucken wild um mich schlage, und im nächsten zusammenkrampfe und auf seiner Schulter liegen bleibe - zum glück waren wir noch nicht auf der Autobahn...

und schon sind Sie da, die Angst, die Schuldgefühle, die Fürcht...

Angst, Angst zu sterben, Angst zu leben, Angst etwas falsch gemacht zu haben, Angst etwas falsch zu machen - am liebsten möchte ich mich einigeln und die Welt um mich herum verdrängen.

Schultgefühle gegenüber meinem Freund, das er ansehen muß, wie ich sterbe - beinahe - Hilflosigkeit.
Was tue ich Ihm an, meiner Familie. Ich möchte nicht, das Sie sich sorgen um mich machen müssen.

Man ist so hilflos. was kann ich tun um das nicht erleben zu müssen - um dem Kammerflimern zu entgehen...

Klar weiß ich, das ich einen Lebensretter in der Brust sitzen habe, klar bin ich dankbar Ihn zu haben - ohne Ihn wäre ich nicht mehr hier.
Trozdem wäre es mir lieber, ich hätte nur diese Narbe auf meiner Brust,
den metallenen Knuppel unter meinem Schlüsselbein - und bräuchte die Maschiene gar nicht, könnte dem Schock entgehen. Dem Schock, der mir klar macht wer ich bin; das alles endlich ist...

Und einigeln ist ja auch keine Lösung, ich möcht ja auch leben, mich nicht einschränken und die Wohnung nicht mehr verlassen. Ich möcht leben, die sonne geniesen, mich mit Freunden treffen, Arbeiten gehen, Partya machen, das Leben leben, es genießen, es Lebenswert erhalten.?!

Heute war ich bei meinem Kardiologen - hab mich noch reinschieben lassen. Alles toll - EKG ist normal, Defi hat gut gearbeitet, das Kammerflimmern erkannt und richtig gearbeitet - schön das ich Ihn habe; trozdem ist mir mehr zum Heulen als zum Lachen wenn ich daran denke.

Gut das meine Verdrängung gut arbeitet und ich schon bald nicht mehr so viel drann denken muß...


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Laminopathie [LMNA], Arrhythmien,
ich genieße mein Leben

Re: wieder eine adequate Schock-Abgabe

#2
Beim lesen Deines Berichtes wurde ich sofort an meine Schockerlebnisse erinnert, als wäre es gestern gewesen. Eine sehr gute Beschreibung all der Gefühle und Gedanken!
Du hast Dir aber doch die Krankheit nicht ausgesucht und sicher auch nichts getan, um den Schock herbeizuführen. Deine Freunde und Familie liebt Dich so oder so, mit und ohne diese Krankheit. Klar machen sie sich Gedanken und sorgen sich um Dich, aber Du würdest Dir umgekehrt genau so um die anderen Sorgen machen.
Dein Umfeld verkraftet das schon. Mach Dir keine Gedanken. Eine Freundschaft zerbricht nicht an so einem Erlebnis und dem Wissen um Deine Krankheit. Du bist sicher ein wertvoller Mensch der sich nicht nur auf die Schocks reduziert, sondern jede Freundschaft verdient.

Jetzt mußt Du Dich selbst erst einmal wieder aufbauen und das Erlebte vergessen oder verdrängen. Bei mir hat Letzteres geholfen und hilft noch immer. Du bist noch so jung und es gibt immer wieder neue Fortschritte in der Medizin, wer weiß?



Re: wieder eine adequate Schock-Abgabe

#5
Hallo Thomas,

nachdem ich vor zwei Monaten ja auch einen brechtigten Schock erleben 'durfte', weiß ich nun zumindest 'worum es geht' und weiß wie ich darauf reagiert habe.
Ich kann nur sagen: Das Leben geht weiter. Lass dich nicht unterkriegen.
Daheim einigeln wäre das Flascheste, was du tun kannst.
Wenn man vom Pferd fällt, muss man möglichst schnell wieder in den Sattel, um die Bedenken/Angst los zu werden.
Das heißt nicht, dass man gleich was-weiß-ich-was machen soll, aber man soll sich halt nicht vor dem Alltag verstecken.
Kopf hoch.

    Zitat: VanThomas
    Man ist so hilflos. was kann ich tun um das nicht erleben zu müssen - um dem Kammerflimern zu entgehen...
Nix. "Et kütt wie et kütt" wie man hier so schön sagt. Akzeptiere, das du auf manche Dinge keinerlei Einfluss hast, das macht dir das Leben leichter. Man kann kaum voraussagen, in welchen Situationen es auftritt, daher helfen auch Vermeidungstatiken nichts.
Was gut ist, weil es im Umkehrschluss heißt, dass du tun und lassen kannst was du willst. Es ändert nichts an dem was kommt.

    Zitat: VanThomas
    Klar weiß ich, das ich einen Lebensretter in der Brust sitzen habe, klar bin ich dankbar Ihn zu haben - ohne Ihn wäre ich nicht mehr hier.
    Trozdem wäre es mir lieber, ich hätte nur diese Narbe auf meiner Brust,
    den metallenen Knuppel unter meinem Schlüsselbein - und bräuchte die Maschiene gar nicht, könnte dem Schock entgehen. Dem Schock, der mir klar macht wer ich bin; das alles endlich ist...
Das wär uns allen lieber. Aber was nicht ist, ist nicht. Also müssen wir mit dem klar kommen, was wir haben und das ist jetzt sooo schlecht auch nun wieder nicht.

    Zitat: VanThomas
    Ich möcht leben, die sonne geniesen, mich mit Freunden treffen, Arbeiten gehen, Partya machen, das Leben leben, es genießen, es Lebenswert erhalten.?!
Dann mach das! Es gibt keinen Grund das nicht zu tun! Gönn dir ein paar Wochen Erholung und dann kann das Leben wie gewohnt weiter gehen.
Ich hatte etwa drei Wochen lang das Gefühl, das mein Herz irgendwie 'wund' ist und ich hatte gefühlt mehr Extrasystolen. Nach sechs Wochen war dann wieder alles wie vor der Schockabgabe.

    Zitat: VanThomas
    Heute war ich bei meinem Kardiologen - hab mich noch reinschieben lassen. Alles toll - EKG ist normal, Defi hat gut gearbeitet, das Kammerflimmern erkannt und richtig gearbeitet - schön das ich Ihn habe; trozdem ist mir mehr zum Heulen als zum Lachen wenn ich daran denke.

    Gut das meine Verdrängung gut arbeitet und ich schon bald nicht mehr so viel drann denken muß...
Siehs mal so, du hast alles richtig gemacht. Dein Leben geht weiter wie zuvor. Du bist nicht tot und vor dir liegen auch keine drei Monate REHA, in der du Dinge wieder neu lernen musst, weil dein Hirn zeitweilig zu wenig Sauerstoff bekam.

Mich hat der Schock in gewisser Weise irgendwie auch 'befreit'.
Ich habe die Gewissheit, dass all das was ich mit und um den Defi durchgemacht habe, nicht umsonst war.

Was das leidende Umfeld angeht...ja, das ist nicht so einfach, vor allem wenn man selbst damit nicht klar kommt.
Wenn du dich damit arrangierst, dann wird es auch für dein Umfeld leichter.
Ich hab den Leuten die dabei waren und um mich herum standen gesagt, dass sie sich nicht aufregen sollen, es wär alles gut. Ich müsste jetzt nur mal ein bischen sitzen und meine Tabletten nehmen, sie bräuchten sich nicht aufregen. Sie sollen mal weiter feiern.
Wenn die sehen, dass du nicht in Panik verfällst und das ganze relativ gelassen nimmst, dann nimmst du ihnen damit die Angst, auch wenn du vorher geschriehen/gezuckt oder sonstwas gemacht hast.

Niemand sollte Schuldgefühle wegen etwas haben, auf das er keinen Einfluss hat. Klar tat es mir auch leid, dass ich die Feier gestört habe und den Anderen einen Schrecken versetzt. Aber die sind genauso erwachsen wie ich und sie können damit umgehen.

In diesem Sinne: "Et hätt noch emmer joot jejange"
Freu dich deines Lebens :-)
Geh ein Eis essen und lies ein schönes Buch unter einem Baum oder so.
Mach halt einfach irgendwas Schönes und lehn dich entspannt zurück.



Wenn wir aufhören zu Leben, weil wir uns vor dem Tod fürchten, dann sind wir schon gestorben.

"Wir sind die Borg. Wiederstand ist zwecklos." ^^

Re: wieder eine adequate Schock-Abgabe

#6
Kölsche Rechtsgrundlage:

§1 : Et es wie et es
§7 : Wat wellste maache?
§8 : Mach et jot ävver nit ze off

Urteil:

weiterleben, auch wenn es nicht immer leicht ist.

Übrigens, Vanthomas - mir ging es nach meinem adäqaten Schock genau wie Dir und es brauchte einige Zeit, bis mich den gleichen Umständen =
Sport mit Freunden wieder aussetzen konnte. Bin aber seitdem sportlich lieber alleine unterwegs.

HERZliche Grüße aus dem Allgäu Axel

Re: wieder eine adequate Schock-Abgabe

#7
Danke euch beiden für die leiben Worte - bei mir geht es auch schon weiter - so schnell lass ich mich nicht unterkriegen ;)
zum Glück kann ich in der Arbeit gerade Überstunden abbauen und muss nur zwei mal die Woche rein - da kann ich das tolle wetter genießen - auch wenn ich im See gerade mal noch nicht so weit rausschwimme - ne Freundin hat mir schon lächelnd gesagt, das sie zu wenig kraft hat mich zu retten wenn ich um mich schlage und bewustlos bin


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