Depressiv nach Schock

#1
Hallo zusammen,

ich heiße Melanie und schreibe heute einen Beitrag für meinen Mann.
Mein Mann Guido hat seit 3 Jahren einen Defi implantiert. Am Donnerstag war die achte Schockabgabe. Diesmal war es für uns besonders schlimm, weil unsere beiden Kinder (3 und 5 Jahre) das Ganze voll miterlebt haben. Wir saßen gerade alle zusammen am Frühstückstisch.

Dass mich hier keiner falsch versteht. Ich sehe den Defi als lebensnotwendig an und bin froh, dass mein Mann einen "onboard" hat. Sonst wäre er nämlich nicht mehr hier.

Ich weiß nicht wie diese Schocks bei euch ablaufen. Guido merkt vorher immer, dass einer kommt. Er greift dann nach seinem Puls (eine Art Bestätigung für Ihn), legt sich auf den Boden und bei der Schockabgabe schreit er ganz laut. Genau dieser Schrei geht uns allen immer durch Mark und Bein. Bei einigen Schocks war er ohnmächtig. Den letzten hat er bei vollem Bewusstsein miterlebt.

Nach den Schocks ist er verständlicherweise sehr nervös. Er fühlt den ganzen Tag seinen Puls und kann sich auch mit nichts ablenken. Wenn er dann die kleinste Unregelmäßigkeit bemerkt, dann fängt er wieder an so zu schreien. Er macht sich und uns damit nur noch nervöser und steigert sich da richtig rein.

Ich möchte ihm gerne helfen. Weiß nur nicht recht wie. Habt Ihr vielleicht eine Idee für mich?

Noch was anderes. Unser Hausarzt hat mir nahe gelegt, einen Reanimationskurs zu besuchen. Ich habe mich hier in unserer Gegend erkundigt. Es werden nur Erste-Hilfe-Kurse angeboten. Dort wird die Wiederbelebung aber nicht so intensiv und ausführlich behandelt. Hat sich einer von Euch oder ein Angehöriger schon mal mit sowas befaßt?

Liebe Grüße
Melanie

Re: Depressiv nach Schock

#2
Hallo Melanie,
mir geht es ähnlich wie Deinem Mann, ich bemerke das Kammerflimmern ebenfalls deutlich vorher. Dummerweise unterscheidet sich dieser Zustand nicht von dem, einen hohen Puls zu haben, so dass sich die Panik ziemlich schnell breit macht. Ich bekomme eine Auslösung meistens auch voll mit, den Schrei dabei zu erklären ist ganz einfach - Die Schockabgabe tut Scheisse-Weh. Die Nervosität anschließend ist für mich auch normal, bei mir ist die Angst dafür meist Auslöser. Zudem muss ich mich erst mal wieder sammeln, schließlich habe ich gerade extrem deutlich die Erfahrung gemacht, dass ich meinem Körper nicht mehr 100%ig vertrauen kann. Und aus der Haut fahren kann man leider nicht, auch wenn ich es mir in dem Augenblick manchmal wünsche.

Ich habe den Eindruck, auch wenn es vielleicht albern klingt, Dein Mann lernt den Defi erst jetzt richtig kennen und begreift auch die gewisse Abhängigkeit und Hilflosigkeit gegenüber dem Gerät. Da spielen einige psychische Aspekte, Todesängste usw. zusammen, denen er sich jetzt Schritt für Schritt nähern muss und die Verarbeitung kann lange dauern. Sollte er das alleine nicht schaffen, sollte er sich einer Defi-Selbsthilfegruppe (altenativ einer Herz- oder Angst-SHG) anschliessen oder sich psychosomatisch Betreuen lassen.

Wie kannst Du Dich verhalten? Eine sehr schwierige Frage, da auch jeder eine Schockabgabe anders verarbeitet. Für mich ist es wichtig, das Jemand da ist, aber mich in Ruhe lässt. Ich kann in dem Moment nicht sagen wie es mir geht oder Ähnliches, selbst wenn, gibt es keine Worte dafür. Ich muss erstmal mit mir selbst klar kommen. Auch in der Selbstfindungsphase wirst Du ihn niemals verstehen können. Leider - sei einfach da.

die Idee mit dem Reanimationskurs halte ich für sehr gut, habe aber leider auch keine Erfahrungen, wo sowas stattfindet. Vielleicht kann Dir die Krankemkasse weiterhelfen.

Lieben Gruß

Thorsten



Re: Depressiv nach Schock

#3
Hallo Thorsten,

vielen Dank für die Antwort. Ich bin für Guido sowieso immer da, wenn er mich braucht. Ich packe ihn nicht in Watte oder so was, das mag ich selber nicht. Es ist nur sehr hart, wenn man daneben steht (ich habe bisher alle Schockabgaben direkt neben ihm miterlebt) und zusehen muss. Beim vorletzten Mal hatte Guido ein nicht gerade kleines Messer in der Hand.

Hier noch eine kleine Info über uns.

Mein Mann leidet an DCMP, steht seit Okt. 2003 (war unser Jüngster gerade geboren) auf der Herztransplantationsliste. Wir haben da gemeinsam schon einiges durch. Wenn es ihm schlecht geht, dann verstehen wir uns auch ohne Worte. Den Defi hat er bekommen, weil er ventrikuläre Tachykardien und Extrasystolen hat. Er hat einen sehr niedrigen Puls (medikamentös bedingt). Wenn er seinen Puls fühlt, vor allem nach den Schocks, dann achtet er auf diese sog. Aussetzer. Er steigert sich da wahnsinnig rein.

Er hat zeitweise schon Psychologische Betreuung erhalten. Meistens fragt er mich allerdings, was er da überhaupt soll, da ihm sowieso keiner helfen kann. Er hat außerdem den Eindruck, dass ihm das nicht viel bringt. Eine Selbsthilfegruppe haben wir in unserer Nähe leider noch nicht gefunden.

Die Distanz die Guido nach einer Schockabgabe zwischen sich, mir und den Kindern aufbaut verstehe ich einerseits, andererseits tuts unheimlich weh, da wir schon soviel zusammen gemeistert haben und ich auch weiß, dass er nur aus Rücksicht auf uns (völliger Blödsinn) so reagiert.

Ich habe einfach Angst, dass er wieder in eine Depression abrutscht. Bei der letzten depressiven Phase war er sehr schwer davon zu überzeugen, dass er Hilfe braucht. Als er sich dann endlich dazu durchgerungen hatte, war er eigentlich ganz begeistert. Womit wir wieder am Anfang sind.

So jetzt habe ich euch genug voll gelabert.

Frei nach dem Motto: Was uns nicht umbringt, macht uns nur noch stärker.

Entschuldigung, falls ich jemandem damit zu nahe trete.

Alles Gute
Melanie

Re: Depressiv nach Schock

#4
Hallo Melanie,

du kannst uns hier im Forum gar nicht "voll Labern" den genau dafür ist das Forum da.

Ich kann mich Thorsten eigentlich nur anschließen und mit dem Spruch: Was uns nicht umbringt…, liegst du sowieso vollkommen richtig.

Die Angst von deinem Mann kann ich alzugut nachvollziehen.
Mir haben Gespräche mit Defi-Trägern und einer Psychologin die sich auf Defi-Träger spezialisiert hat unheimlich geholfen.

Schau mal unter: http://www.defi-liga.eu/html/freunde___partner.html ob da nicht eine SHG in eurer Nähe ist.

Re: Depressiv nach Schock

#5
    Zitat:
    Hallo zusammen,

    ich heiße Melanie und schreibe heute einen Beitrag für meinen Mann.
    Mein Mann Guido hat seit 3 Jahren einen Defi implantiert. Am Donnerstag war die achte Schockabgabe. Diesmal war es für uns besonders schlimm, weil unsere beiden Kinder (3 und 5 Jahre) das Ganze voll miterlebt haben. Wir saßen gerade alle zusammen am Frühstückstisch.

    Dass mich hier keiner falsch versteht. Ich sehe den Defi als lebensnotwendig an und bin froh, dass mein Mann einen "onboard" hat. Sonst wäre er nämlich nicht mehr hier.

    Ich weiß nicht wie diese Schocks bei euch ablaufen. Guido merkt vorher immer, dass einer kommt. Er greift dann nach seinem Puls (eine Art Bestätigung für Ihn), legt sich auf den Boden und bei der Schockabgabe schreit er ganz laut. Genau dieser Schrei geht uns allen immer durch Mark und Bein. Bei einigen Schocks war er ohnmächtig. Den letzten hat er bei vollem Bewusstsein miterlebt.

    Nach den Schocks ist er verständlicherweise sehr nervös. Er fühlt den ganzen Tag seinen Puls und kann sich auch mit nichts ablenken. Wenn er dann die kleinste Unregelmäßigkeit bemerkt, dann fängt er wieder an so zu schreien. Er macht sich und uns damit nur noch nervöser und steigert sich da richtig rein.

    Ich möchte ihm gerne helfen. Weiß nur nicht recht wie. Habt Ihr vielleicht eine Idee für mich?

    Noch was anderes. Unser Hausarzt hat mir nahe gelegt, einen Reanimationskurs zu besuchen. Ich habe mich hier in unserer Gegend erkundigt. Es werden nur Erste-Hilfe-Kurse angeboten. Dort wird die Wiederbelebung aber nicht so intensiv und ausführlich behandelt. Hat sich einer von Euch oder ein Angehöriger schon mal mit sowas befaßt?

    Liebe Grüße
    Melanie
Hallo Melanie,
erst mal zu deiner Frage wegen des Rea- Kurses: viele Organisationen wie DRK und so bieten solche Kurse als Aufbau-Kurse nach dem ERste Hilfe Kurs an. Vielleicht müsstest du gezielt danach fragen. Wenn nicht, dann rufe doch mal eine Klinik in eurer Nähe an. Dort werden mit Sicherheit solche Kurse hausintern als Fortbildungen für das Pflegepersonal angeboten ( sind eigentlich Pflicht). Da geht es dann zwar sehr medizinisch zu, aber vielleicht lassen sie dich teilnehmen, wenn du deine Geschichte erzählst und dann lernst du wenigstens das Praktische sehr gründlich. Auch in Arztpraxen sind solche Fortbildungen für das Personal eigentlich Pflicht, vielleicht kann dir die örtliche KV weiterhelfen.

Ich denke, vielleicht solltest du versuchen, mit deinem Mann gemeinsam in einem Familienberatungszentrum oder bei einem Therapeuten Unterstützung zu suchen. Sowohl du als auch deine Kinder werden ja immer wieder solche Situationen mit deinem Mann erleben und ihr müssst dann -jeder für sich- lernen, damit umzugehen. Auch kleine Kinder können so etwas schon lernen. Du nimmst dann deinem Mann zwar weder seine Todesängste ab noch seine Depressionen- das wirst du nie können, aber vielleicht gibt es ihm etwas mehr Sicherheit, wenn er weiß und fühlt, dass er sich nicht noch zusätzlich um euch in der Hinsicht sorgen muss. Und vielleicht hilft es sogar seiner Depression, wenn er sieht, dass du die Krankheit aktiv in euer Leben aufnimmst und sie nicht zum Herr eures Lebens werden lässt ( obwohl sie das zugegenermassen leider wohl immer sein wird). So banal es klingt, ganz oft hilft dem anderen, wenn der Partner die eigene Perspektive ändert...



Re: Depressiv nach Schock

#6
Hallo,

vielen lieben Dank für Eure offenen Worte.

Wir hatten vor zwei Jahren eine Familienreha in der Klinik Glotterbad (jetzt: Kandertal). Die hatte uns allen sehr gut getan. Vor allem die tolle psychologische Betreuung, die wir sowohl einzeln als auch als Paar hatten. Die Klinik ist spezialisiert auf Familien, in denen ein Familienmitglied chronisch krank ist. (Die Klinik hat übrigens eine HP www.kur.org. falls es jemanden interessiert)

Ich werde wohl einen neuen Reha-Antrag in Angriff nehmen. Drückt bitte mal die Daumen, dass das in dem kurzen Zeitabstand genehmigt wird.

Liebe Grüße
Melanie

Re: Depressiv nach Schock

#7
Hallo Melanie,

ich finde es richtig und wichtig, dass Du an einem Erste Hilfe Kurs teilnehmen möchtest. Vielleicht kannst Du auch alle in eurem engeren Kreis mit motivieren.

Schau doch mal auf folgende Seite nach. www.bg-qseh.de. Ausser den Organisationen bieten auch viele Private Anbieter Erste Hilfe Kurse an. Auf dieser Seite findest Du alle Private anbieter. Leider nicht nach Qualität sortiert. Denn Erste Hilfe Kurs ist nich gleich Erste Hilfe Kurs.

Wir sind auch ein privates Unternehmen mit Hauptsitz in Stuttgart. Wir zum Beispiel geben auch ganz speziell für betroffene Personen Wiederbelebungstrainings an inkl der Anwendung von externen AED Geräten. Leider nicht in Deiner Nähe. Dieses reine HLW-Training bieten aber viele Anbieter an.

Ich glaube bei einem allg. Erste Hilfe Kurs wirst Du Dich nicht wohl fühlen. Dafür wird das Thema aus Zeit gründen (gesetzliche Vorgaben schreiben vor welche Themen behandelt werden müssen und wie lange) zu oberflächlich behandelt.

Wichtig ist es bei der Wahl des Erste Hilfe Anbieters zu hinterfragen ob Sie nach den neuesten Richtlinien des ERC- Europäische Rat für Wiederbelebung arbeiten. Seit Nov. 05 sind die Empfehlungen nämlich erweitert und erneuert worden. Man drückt jetzt 30 mal usw.

Gruß aus Stuttgart
Karim

Re: Depressiv nach Schock

#8
Hallo Karim,

wo genau in Stuttgart finden die Kurse statt und wer ist der Anbieter?
Falls Du den Namen nicht ins Forum posten willst, dann schick' mir bitte eine persönliche Nachricht.

Gruß



"I'm Mickey Mouse. They don't know who's inside the suit." - KR -
cron