Re: Die Angst als Angehöriger

#11
Hallo,
auch ich muß jeden Tag miterleben, wie sich mein Mann und mein Sohn um mich sorgen. Mein 12 jähriger Sohn fragt ständig ob es mir gut geht, fordert mich auf mich doch ein wenig hin zu legen und auszuruhen... Mein Mann ruft mich mindestens 5 mal am Tag an, schläft nachts nur noch oberflächlich und guckt immer wieder ob ich noch atme. Manchmal werde ich nachts wach, weil ich mir beim Rumdrehen im Bett weh tue. Dann spüre ich sofort seine beruhigende Hand. Ich bin jeden Tag dankbar und stolz eine solche Familie zu haben ! Ohne die beiden wäre mein Lebensmut sicher bei null.
Auch habe ich jetzt eine Patientenverfügung und alles geregelt. Vor kurzem hatte ich das Thema Sterben noch einmal angesprochen. Ich würde gerne (klingt blöd) in ein Bestattungunternehmen gehen und auch dort alles regeln, das sollte ich aber wohl heimlich machen. Mein Mann ist bei dem "finalen" Gedanken fast durchgedreht. Dabei heißt das doch nicht das ich die Flinte ins Korn schmeiße, nein, ich will doch nur ganz beruhigt gehen können, wenn es dann soweit ist. Ist das schlimm ? Vielleicht machen wir - so wie viele andere Kranke - uns mehr und auch früher Gedanken zum Sterben. Der Tod gehört aber zu allen Menschen. Warum also nicht offen darüber sprechen ? Ich habe keine Angst mehr vorm Sterben, stelle mir das vor wie bei einer Vollnarkose. Einschlafen und dann ist da nichts mehr.. Einzig der Gedanke das es hier auf der Welt dann ohne mich weitergeht, ich nicht mehr in diesem Spiel des Lebens nicht mehr mitspielen darf, das tut weh.
Bevor ich meinen Sohn adoptierte, hatte ich drei Fehlgeburten. Ohne diese wäre nie mein geliebtes Kind bei mir. Er ist meine persönliche Lebensaufgabe ! Und ich bin überzeugt, das ich noch solange nicht im großen Buch stehe, bis mein Sohn erwachsen ist und auf eigenen Beinen stehen kann ! Alles im Leben hat einen Sinn...
Ich wünsche Euch allen eine so fantastische Familie, die Euch Kraft gibt !
Daggi



idiophatisches kammerflimmern vielleicht auch brugada. implantiert nov.´05.
wer rechtschreibfehler findet, darf sie behalten

Re: Die Angst als Angehöriger

#12
Hallo ihr alle,
ich bin vor ein paar Minuten auf euer Forum gestoßen und bin froh zu lesen, dass ich mit meinen Ängsten nicht alleine da stehe. Ich bin 23 Jahre und mein Vater hat seit einem halben Jahr einen Defi, der auch leider schon seine Fehlfunktionen (15 Schocks) unter Beweis gestellt hat. Ich mache mir wahnsinnig Sorgen um meinen Vater! Diese Angst fesselt mich so sehr, dass ich mich schon kaum auf mein Studium konzentrieren kann, ständig auf einen erneuten Anruf warte, dass er schon wieder im KH ist. Am meisten macht mir aber seine eigene Angst zu schaffen. Er geht nicht mehr aus dem Haus und sieht immer so wahnsinnig traurig aus. Ich fühle mich so hilflos! Ich versuche natürlich mit ihm zu sprechen, (meine Mutter schafft es psychisch nicht mehr), aber auch ich muss sagen, dass ich allmählich an meine eigenen Grenzen stoße. Wenn ich meinen Vater in die Arme nehme, habe ich das Gefühl, dass ich diejenige bin, die ihn beschützen muss und nicht mehr sein kleines Mädchen bin. Ich liebe meinen Vater sehr und weiß nicht wie ich die Zeit die uns noch bleibt psychisch durchstehen soll und ihm gleichzeitig eine Hilfe sein kann. Manchmal habe ich regelrecht Angst, dass unsere Familie an dieser Situation zerbricht.
Ich danke euch schon jetzt mal für Antworten!

Re: Die Angst als Angehöriger

#13
Hallo Sina,
es tut mir sehr leid, was da auf Eurer Familie lastet! Man kann auch so schlecht pauschal raten,- aber ich weiß, daß vor allem Dein Vater dringend professionelle psyhologische Hilfe braucht! Das kann die Familie nicht leisten! Das geht den meisten Defipatienten so, vielen haben tiefe Ängste und lange damit zu kämpfen!! (Ohne Hilfe nicht zu schaffen)
Ich finde es wichtig und gut, daß Du Dich kümmerst und sorgst, Du hilfst Euch aber allen nicht, wenn Du Dein Studium schleifen lässt! Versuche es doch mit Entspannung und Meditation,- sowas wird oft auch an den Unis angeboten, ein gutes Ventil ist immer auch Sport!
Oder Du gehst den anderen Weg und nimmst ein Urlaubssemester....
Das Gefühl das Du beschreibst kennen hier viele, plötzlich dreht sich alles um, der Starke wird zum Schwachen und umgekehrt.
Das muß angenommen werden und ist verdammt schwer. Aber unseren Lebensweg müssen wir allein gehen, das ist eben so. (Und deshalb kannst Du Deinem Vater auch nur ein Stück weit beistehen, und fühlst Dich hilflos.)
Vielleicht hilft auch Dir eine psychologische Beratung, Frauen tun sich mit reden oft leichter.
Irgendwie werde ich aber auch das Gefühl nicht los, daß Dein Vater in seiner Klinik nicht optimal betreut wird. Manchmal ist eine Zweitmeinung oder andere Klinik ganz ratsam.
Alles Gute und ganz viel Kraft
Christine

Re: Die Angst als Angehöriger

#14
Danke für die schnelle Antwort! Betreuung an der Klinik- was ist das? Nein im Ernst, du hast Recht mit der Vermutung, dass mein Vater nicht optimal betreut wird. Aber er nimmt auch keine Hilfe an, ich habe ihm nämlich schon psychologische Hilfe vorgeschlagen, woraufhin er fast aggressiv geworden ist. Es ist einfach sehr schwierig.

Re: Die Angst als Angehöriger

#16
Hallo Sina!
Ich kann Dich gut verstehen,mein Vater hat auch seit einem halben Jahr einen Defi der auch schon geschockt hat. Bei mir ist es ähnlich, ich habe auch manchmal tierische Angst bzw.mache mir echt sorgen. Momentan geht es aber,da es meinem Vater so einigermaßen gut geht. Das wichtigste finde ich ist aber,dass die Familie zusammen hält und sich gegenseitig Kraft gibt und sich immer wieder Aufbaut. Ich wünsche dir das alles gut wird,einen schönen Abend

Gruss Nadine



Ein Tag an dem man nicht lächelt,ist ein verlorener Tag!

Re: Die Angst als Angehöriger

#17
Mein Mann hat seit letzter Woche einen Defi und ich bin mir sicher , daß wir es gemeinsam schaffen werden ... egal was auch kommen mag !
Momentan ist mein Mann auf die Rehastation verlegt worden , die Odyssee, die er hinter sich hat ist einfach unvorstellbar -Herzinfarkt , Bypass-OP , danach Ruhe und eine Woche nach OP plötzliches Kammerflimmern , welches über drei Tage nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte - nach allen notwendigen Untersuchungen dann den Defi !
Wir sind beide noch jung und alles ist völlig unerwartet über uns hereingebrochen ... viele Fragen und Unsicherheiten sind noch da und werden wahrscheinlich noch eine ganze Weile bleiben ...
einen Tag vor der Implantation trafen wir auf dem KH-flur einen Mann , der auf seine Aufnahme wartete , wir kamen ins Gespräch und mein Mann erzählte von dem geplanten Defi ... dieser Mann fing dann so positiv von seinem Defi zu erzählen an , den er schon neun Jahre "drin" hätte ,so lebensbejahend !Er war zum Wechseln in die Klinik gekommen ... sein Defi piepte seit einer Woche jeden Mittag um 12.00 Uhr um ihn auf den fälligen Batteriewechsel aufmerksam zu machen .
Dieses Gespräch hat meinem Mann sehr geholfen , da er mit einem Betroffenen sprechen konnte ... deswegen ist dieses Forum und diverse Selbsthilfegruppen sehr wichtig !
Ich versuche meinen Mann zu unterstützen wo ich kann , doch der Defi sitzt in seiner Brust und das weißt mir Grenzen auf ... und ich bin froh , daß es Betroffene gibt , mit denen er sich austauschen kann !
Ich bin dankbar , daß ich meinen Mann noch habe und dankbar für die äußerst kompetente Betreuung durch Ärzte und Pflegepersonal - selbst in den schlimmsten Situationen hatten sie immer ein Lächeln oder einen Händedruck übrig !
Naja, wir schauen mal , was die nächsten Wochen und Monate so bringen ...
Viele Grüße Gutemiene

Re: Die Angst als Angehöriger

#18
Ich kann Euch alle sehr gut verstehen. Mein Mann hat seit Juni 08 einen Defi und wir sind eigentlich ganz ungezwungen damit umgegangen, denn ich fand es ein eher beruhigenderes Gefühl. Dann hat jedoch sein "Freund" sich gemeldet und das war so schlimm, daß mein Mann bewußtlos geworden ist und sich 1 Stunde nicht bewegen konnte. Jetzt hat er natürlich Angst, daß dasselbe noch mal passieren kann. Aber noch mehr Angst habe ich um meinen Mann, denn die Hilflosigkeit, nichts machen zu können, ist noch schlimmer. Vor allem habe ich Angst, wenn er alleine ist und ihm niemand helfen könnte. Da ich aber auch berufstätig bin, kann ich nicht immer bei ihm sein. Um meine Angst zu überwinden und um ihm damit zu helfen, mache ich jetzt eine Gesprächstherapie und hoffe, daß wir irgendwann wieder ein einigermaßen normales Leben leben können.
Freunde und Bekannte haben mein Verhalten als überzogen empfunden.
Ich bin froh, daß es anderen auch ähnlich geht.



Re: Die Angst als Angehöriger

#19
hallo Renate wollt nur sagen das es mir auch sehr ähnlich geht, mein Mann wurde zum Glück bisher noch nicht geschockt. Aber trotzdem bleibt die Angst. Gestern war es genau 1 Jahr her seit dem Herzstillstand und Reanimation.
Und wir haben seinen 2.Geburtstag im Steakhaus m.einem Essen gefeiert.

Die meisten der Verwandtschaft haben auch kein verständniss, das wir Angst haben,

dazu kommt auch wie bei dir, das er fast den ganzen Tag alleine ist, aber wir telf. 2-3 x am Tag.



Liebe Grüße Heidi

------Mein Mann ist Defi-Patient-----

Re: Die Angst als Angehöriger

#20
Hallo Renate, Heidi und alle anderen!

Auch mir geht es wie euch. Mein Mann hat seinen Defi jetzt 1 Woche. Er ist noch im KH. Als nächstes ist die Reha angesagt.
Ich finde ich ganz toll, dass auch andere Angehörige hier im Forum sind. Denn die Verwandten und Bekannten können so einiges nicht verstehen. Ich sehe es aber nicht als so schlimm an, da man manches nur verstehen kann, wenn man selber in die Situation kommt. Und das wünschen wir ja so schnell keinem.

Ich habe mich sehr gefreut, das ich dieses Forum gefunden habe. Nicht nur, das alles Fragen einem beantwortet werden, sondern das man einfach mal loslassen kann und verstanden wird.

Jetzt seit ganz lieb gegrüsst
Petra