Neu und ahnungslos

#1
Hallo zusammen,

ich heiße Sandra, bin 31 und glücklich verheiratet. Vor drei Monaten kam unsere kleine Tochter zur Welt.

2004 hatte mein damals 25 Jahre alter Bruder nach einem Kammerflimmern einen damit verbundenen Herzstillstand auf dem Fußballplatz. Trotz sofortiger Versuche ihn mit einem dort vorhandenen Defibrillator zu reanimieren, starb er nach 10 Tagen im Koma. Er war Hirntod. Diesen Schock habe ich bis heute nicht überwunden.

Im vergangenen Jahr wurden noch vor meiner Schwangerschaft Herzrhythmusstörungen bei mir festgestellt. Da unser Hausarzt die Familiengeschichte kennt, hat er mich gleich zum Kardiologen geschickt. Nach einem Langzeit-EKG kamen ca. 11.000 VES und eine verlängerte QTc von 464 ms heraus. Herzecho war soweit zum Glück ok. Dann wurde ich in die kardiologische Klinik weiter geschickt und es wurde ein Gentest auf das Long-QT-Syndrom durchgeführt. Hierbei kam nichts weiter raus, allerdings waren alle skeptisch aufgrund meines Bruders.

Das Ende vom Lied ist nun, dass mich der Professor nochmals sprechen wollte. Nichts böses ahnend ging ich dort hin und erhielt die Empfehlung, mir einen Defibrillator implantieren zu lassen, da ich ein erhöhtes Risiko habe, dass mir das Gleiche passieren würde wie meinem Bruder. Der Schock sitzt seither tief. Zumal ich jetzt auch meine kleine Tochter habe. Mit ihr waren wir schon beim Kardiologen und es konnte Gott sei Dank bisher nichts festgestellt werden.

In zwei Wochen habe ich nun einen Termin zur EPU sowie zu einem Ajmalin Test. Ich habe davor schon riesige Angst. Kann mir jemand dazu schon ein paar Erfahrungsberichte liefern? Darf ich mich nach der anschließenden Liegezeit wieder normal bewegen? Mir gehts hauptsächlich um die Versorgung meiner Kleinen (Tragen usw.)

Laut dem Professor soll die EPU dazu dienen, mir die Notwendigkeit des Defis zu beweisen. Andernfalls stehe ich selbst vor der Entscheidung ob ja oder nein. Habe nun schon einiges gelesen über die Defis. Neben dem lebensrettenden Vorteil hat dieser ja auch diverse Nachteile. Mein erster Gedanke war, dass ich mir dieses Gerät nicht implantieren lassen möchte. Je mehr ich darüber nachdenke, ist es vielleicht doch - allein im Hinblick auf meine kleine Familie - sehr sinnvoll. Dann denke ich mir wieder, dass ihn andere bestimmt dringender benötigen, da ich ja glücklicherweise noch nie etwas hatte.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir ein wenig berichten könntet, mir vielleicht auch ein wenig die Angst nehmen könnt. Wie läuft die Defi-OP ab? Ist von außen (außer die Narbe) etwas sichtbar? Wie lange bin ich eingeschränkt?

Vielen lieben Dank im Voraus fürs lesen und fürs antworten!

Liebe Grüße
Sandra



Re: Neu und ahnungslos

#2
Hallo Sandra,

herzlich Willkommen hier im Forum .

Wenn ich Deinen Bericht so lese, finde ich mich zu 99 Prozent wieder,
der einzige Unterschied ist, dass meine Kinder schon groß sind.

Meine EPUB mit Ablation war im August, ein anschliessender Gentest
ergab Long-QT Typ 3.
Defi Implantation im November.

Die Ablation war nicht angenehm, aber auszuhalten, danach soll man sich
einige Tage schonen. Man kann aber eigentlich alles machen wie vorher,
nur etwas vorsichtiger.

Den Defi sieht man je nach Fettpölsterchen mal mehr, mal weniger.
Wenn er gut liegt, stört er aber nach einiger Zeit kaum noch.

Ich bin froh, dass ich mich für den Defi entschieden habe.
Seitdem habe ich auch bei Rhythmusstörungen keine Angst mehr,
weil der Defi ja im Notfall einspringen wird.

Ich empfehle Dir aber Dich hier einzulesen bevor Du Dich entscheidest.

LG
Kerstin



Long QT-Syndrom Typ 3
Long QT Typ 3

Re: Neu und ahnungslos

#4
Hallo Sandra,

deine Gedanken und Sorgen sind für viele von uns nachvollziehbar.

Bitte nie vergessen, der Defi ist keine Krankheit und auch nicht die Grunderkrankung. Er ist ein technisches Gerät und im Fall des Falles da Dir dein Leben zu retten.

Die Implantation und etwaigen Einschränkungen sind dabei völlig zu vernachlässigen.

Nach der Implanatation tut es ein paar Tage weh, eventuell zwei Wochen ein Schmerz, wie ein kräftiger Muskelkater.
Das wichtigste in dieser Phase, keine Streckbewegungen und kein schweres Heben.
Also, zB dein Kind nicht über deinen Kopf in die Luft werfen und wieder auffangen...

Das ist dann aber auch nach max. 6 Monaten rum, dann sind die Sonden verwachsen und der Defi sitzt fest.

Einschränkungen dann ??? KEINE !!
(ok, ein paar elektrische Geräte nicht zu nahe kommen lassen...aber ansonsten .... Reisen, spielen, arbeiten...alles problemlos möglich)

Vorteile: JAAA und zwar den einen entscheidenden... Wenn die Situation kommt, vor der wir uns alle fürchten, dann ist er da und rettet der Mutter das Leben.

Für mich gäbe es da keine SEkunde zu überleben, aber, dass ist natürlich von außen auch immer leicht gesagt.

Ich kann nur noch eins sagen... mein Defi hat mir noch nie irgendwelche Schwierigkeiten gemacht, mich behindert oder gestört. Das tut einzig meine Grunderkrankung am Herz.


____________________
Dilatative Kardiomypathie, non-compaction Kardiomyopathie, linker ventrikel stark vergrößert, KHK ausgeschlossen, EF 20, Defi Empfänger März 2011. Insulin pflichtiger Diabetes Mellitus.

Re: Neu und ahnungslos

#5
Hallo Sandra,
willkommen im Forum.

Keine Sorge,du nimmst niemanden einen Defi weg,es sind genügend da ;-)

Ich hab meinen jetzt seit knapp 2 Jahren,und ich merk ihn nur beim waschen.Die Narbe und der kleine Buckel erinnern mich dran das ich so ein Gerät habe,ansonsten merk ich ihn überhaupt nicht.Der Defi schränkt mein Leben überhaupt nicht,es ist meine Krankheit die mir Grenzen setzt.

Lass dir dein Leben schützen,und einen Defi einpflanzen.ich bin sicher nach einer Eingewöhnungsphase wirst du ihn nicht mehr missen wollen,er verscheucht das Gespenst des plötzlichen Herztodes welches sonst immer wieder kommt.

Gruß Reiner

Re: Neu und ahnungslos

#6
Vielen lieben Dank für eure Antworten. Ich bewundere Euch sehr für Euren Mut und Eure positive Einstellung. Ich hoffe, eines Tages auch so darüber reden zu können. Momentan habe ich noch so eine große Angst vor dem Ungewissen, das mich erwartet. Auch habe ich Angst, dass bei der EPU noch mehr "gefunden" wird.

Kerstin, durftest du auch am selben Tag nach Hause? Wird erst während der EPU festgelegt ob eine Ablation erforderlich ist? Warum muss man danach flach liegen?

Meine Fragen klingen sicherlich etwas doof, aber ich möchte verstehen was mit mir gemacht wird ;-)

Und zum Defi, ich bin doch etwas beruhigt dass er euch nicht allzu sehr einschränkt. Wie lange musstet ihr in der Klinik bleiben? Mir graut am meisten vor der Trennung von meiner Kleinen.

Ach ich hätte mir diese besondere Zeit anders gewünscht und nicht mit diesen Sorgen. Aber ich werde versuchen, mir ein paar Scheiben von Eurem Mut abzuschneiden.



Re: Neu und ahnungslos

#7
Hallo Sandra,

erst einmal ein herzliches Willkommen.

Zu Deiner Frage bzgl. der EPU.

Bei einer EPU werden meist über die Leistenvenen 2 - 6 Elektrodenkatheter bis zum Herzen geführt (Anzahl hängt davon ab, was gemacht werden muss)
Erst wenn bei der EPU Herzrhyhtmusstörungen ausgelöst und lokalisiert werdern können, würde man die Ablation machen.

Du musst mehrere Stunden flach liegen, da Du an den Leistenvenen einen Druckverband bekommst. Damit sollen Nachblutungen verhindert werden. Ich musste meist ca. 8 Stunden liegen.
Damit erklärt sich auch, dass man im Regelfall nach der EPU noch eine Nacht im Krankenhaus verbleibt. Da es bei vielen Krankenhäusern Usus ist, musst Du schon am Vortag ins Krankenhaus, um die Voruntersucherungen machen zu lassen. D.h., dass Du z.B. Montag in Krankenhaus gehst und Mittwoch wieder nach hause.

Danach sollst Du ein paar Tage nicht Baden oder schwere Dinge heben, also im Allgmeinen Dich etwas schonen.

An sich ist so eine EPU keine allzu große Sache.

Viele Grüße
Jennifer



Re: Neu und ahnungslos

#8
Hallo Sandra,

nach der Ablation musste ich noch einen Tag im Krankenhaus
bleiben. Ich denke mal, dass bei der EPU entschieden wird, ob
eine Ablation überhaupt "möglich" ist.

Nach dem Eingriff musste ich 6 Stunden flach liegen, weil ich
einen Druckverband an den Leisten hatte. Das war nicht toll,
aber Kinder kriegen ist unangenehmer ;) .
Am nächsten Tag wurde bei einer anderen Patientin aber mit einem
Verschluss experimentiert, die musste nicht flach liegen.
Vielleicht hast Du ja Glück und es gibt eine neue Technik.

Nach der Defi Implantation musste ich auch noch 1 Tag in der Klinik
bleiben.
Übrigens, beide Eingriffe wurden ohne Vollnarkose durchgeführt.

Mach Dir also keine so großen Sorgen, die 2 Tage bekommt der
Papa oder die Oma sicher hin.

LG
Kerstin



Long QT-Syndrom Typ 3
Long QT Typ 3

Re: Neu und ahnungslos

#9
Herzlich Willkommen im Forum Sandra.
Du hast schon so einige positive Meinungen lesen können
und die kann ich dir alle auch bestätigen.
Weder bei derAblation noch die Defi-Implantation sind
langwierige Krankenhausaufenthalte notwendig.
Die 2 - 3 Tage wird deine Kleine zu Hause sicher gut
versorgt werden können.
Der Defi wird dein Schutzengel werden und dich vor der
Möglichkeit eines plötzlichen Herztodes bewahren.


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Sei du selbst, alle anderen gibt es schon (Oscar Wilde)

Vorderwandinfarkt 7/2011, Eventrecorder 12/2011 wegen Synkopen, 12 x Herzkatheter mit Dilatationen, 8 Stents, 2012 Kammerflimmern, ausgeprägtes Vorderwandaneurysma, EF 35%, NYHA 3, Kardiomyopathie, Implantation ICD 1. 7. 2014, gleichzeitig Explantation Eventrecorder. Seit 15 Jahren Vorhofflimmern. Diabetes mellitus Typ 2, Hashimoto, chronische Niereninsuffizienz III. Nach Amiodaron sauerstoffpflichtig.