ICD-Rückrufe: Kardiologen fordern bessere Kommunikationsstrukturen

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Aus:

http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=24233


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Sophia Antipolis - Die Rückrufaktionen der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zu implantierbaren Cardioverter-Defibrillatoren (ICD) haben viele Kardiologen in Europa in den letzten Monaten unvorbereitet getroffen. Häufig erfuhren sie über ihre Patienten davon. In Europace (2006; 8: 313-322) machen sich Vertreter der European Heart Rhythm Association (EHRA) Gedanken über eine Verbesserung der Kommunikationsstrukturen.

Im Mai letzten Jahres berichteten US-Medien über den Todesfall eines Patienten, bei dem ein ICD der Firma Guidant wegen eines Konstruktionsfehlers versagt hatte. Der Hersteller wiegelte zunächst ab, später gab er bekannt, dass es seit 2002 mindestens 28 Fälle gegeben habe. Noch im Mai veröffentlichte Guidant dann einen Health Advisory an die Ärzte und auf der Internetseite auch Informationen für Patienten. Im Juni folgte dann ein weltweiter „Rückruf“ einiger Modelle, wobei „Rückruf“ nicht mit Austausch gleichzusetzten war. Die Ärzte sollten mit den Patienten darüber beraten, ob und wann eine vorzeitige Austausch-Operation sinnvoll sei. Später kamen noch weitere Modelle hinzu. Heute wird diskutiert, ob die Zuverlässigkeit der ICD unter der zunehmenden Miniaturisierung gelitten haben könnte. Kürzlich zeigte eine Analyse der FDA-Daten im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2006; 295: 1901-1906), dass die Rate vorzeitiger Austausch-Operationen bereits seit 1997 angestiegen war. In den letzten drei Jahren hatte sich die Rate mehr als vervierfacht.

Von all diesen Entwicklungen haben europäische Kardiologen ebenso wie ihre Patienten zumeist aus der Presse erfahren, obwohl sie vielfach betroffen waren. Denn wie Angelo Auricchio von der Fondazione Cardiocentro Ticino in Lugano schreibt, viele Geräte zum kardialen Rhythmusmanagement (cardiac rhythm managment, CRM) – dazu gehören neben den ICD die Herzschrittmacher – werden heute zuerst in Europa getestet und eingeführt, bevor sie in Nordamerika auf den Markt kommen. Bislang sehen die Vereinbarungen vor, dass Funktionsstörungen, die zumeist bei den regelmäßigen Funktionsprüfungen entdeckt werden, zunächst den Herstellern mitgeteilt werden.

Als Anreiz wirkt hier die kostenlose Lieferung eines Ersatzgerätes, falls sich Kardiologe und Patienten zum Austausch entschließen. Es besteht zwar auch eine Verpflichtung für den Arzt, die Behörden, etwa das BfArM zu informieren, doch die Vigilanzsysteme sind bei Medizinalprodukten aus Sicht von Auricchio und seiner Kollegen „signifikant unterentwickelt“. Allein schon die komplizierten Formulare wirken hier offenbar als Hemmnis. Als vorbildlich heben die Autoren, die auf eine Konferenz jüngst das jetzt vorgestellte Leitpapier entworfen haben, das Formular der britischen Behörde Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) hervor. Ein ähnlich übersichtlich gestaltetes Formular gehört zu den Forderungen der EHRA. Es sollte nach Ansicht der Kardiologen von den nationalen Behörden (National Competent Authorities) herausgegeben werden. Der EHRA schwebt außerdem die Einrichtung eines vertraulichen Forums vor, in dem sich die Rhythmologen unabhängig vom Hersteller über die einzelnen Geräte austauschen können.

Für das Vorgehen im Fall einer Produktwarnung wird eine Gefahrenanalyse vorgeschlagen, die nicht nur den technischen Defekt beurteilt, sondern auch die Indikation. Die ICD werden heute aus unterschiedlichen Indikationen eingesetzt. Patienten, die nach einem Herzstillstand einen ICD erhalten haben, sind durch ein Geräteversagen eher betroffen, als Patienten, bei denen der ICD zur Primärprävention eines Herzstillstands eingesetzt wurde.

Das Dokument beschäftigt sich auch mit der Frage, wann und wie die Patienten informiert werden sollen. Vorgeschlagen wird ein Embargo-System, nach welchem die Öffentlichkeit erst dann alarmiert wird, wenn die Ärzte bereits informiert wurden. Den Autoren scheint jedoch zu wissen, dass dies ein eher unrealistischer Wunsch ist, vor allem, wenn der Druck, ein Problem zu thematisieren, von der Öffentlichkeit ausging, wie dies in der Guidant-Affäre der Fall war. Dem Hersteller waren die technischen Probleme nämlich seit längerem bekannt gewesen. Die Versendung des ersten Health Alerts an die Ärzte und die Informierung der Patienten erfolgte erst auf Druck der Berichterstattung in der Presse. /rme