Probleme für die Angehörigen bei Rückkehr in die "Normalität" nach PHT

#1
Hallo
Mich interessiert, wie Eure Angehörigen die Geschehnisse um Euren überlebten plötzlichen Herztod empfunden haben, was für sie am schwierigsten war und was für Probleme und Auseinandersetzungen es während der Rückkehrphase in die "neue Normalität" gab.

Ich hoffe, dass ich durch Eure Erfahrungen vielleicht den ein oder anderen Fehler verhindern kann und ein paar gute Ideen kriege, wie ich helfen kann, das ganze smooth zu gestalten.

Bin 38, meine Frau ist 36, unsere Tochter 5. Mir geht´s gut, freu mich dass ich lebe, meine Frau ist ziemlich belastet nach PHT, 1 Monat KH, ICD-OP und zu Hause den Laden am laufen halten (sie ist zusätzlich selbstständig), der Kleinen geht´s gut. Finanziell sind wir abgesichert, meinen Beruf kann ich nicht mehr ausüben aber es gibt viele andere Möglichkeiten, so dass diese existenziellen Themen Gott sei´s gedankt in unserem Fall keine Problematik sind.

Euer Windnarr

Re: Probleme für die Angehörigen bei Rückkehr in die "Normalität" nach PHT

#2
hallo,
ich hatte nach kammerflimmern, reanimation und mehreren vt`s das problem, dass ich mir viel weniger sorgen um mich selbst machte, als meine angehörigen. mein ( damaliger ) ehemann war mit der situation völlig überfordert. er wusste sich scheinbar nicht anders zu helfen, als allen leuten, die er irgendwie kannte, von meinem schicksal zu berichten, trotzdem ich eindringlich darum gebeten hatte, dies nicht zu tun. nach meiner entlassung wussten sämtliche nachbarn, postboten, bis hin zur mitarbeiterin der bäckerei von meiner erkrankung. das hat mich heftig genervt. ich hatte dafür kein verständnis.
meinen eltern und geschwistern stand die sorge um mich ins gesicht geschrieben, obwohl sie sich bemühten, dass zu verbergen. ich war dann immer darum bemüht, ihnen die sorgen zu nehmen und ihnen mut zu machen und zu erklären, dass bestimmt alles wieder gut wird.
das ist irgendwie sonderbar, denn eigentlich wäre das ja der part der angehörigen gewesen - mir mut zu machen - aber sie waren von den ereignissen überrollt worden, und konnten es schwer ertragen, mich mit zentralen venenkatheter im hals, und angeschlossen, an medizinische geräte zu sehen. ich habe natürlich auch verständnis dafür, dass das meine leute mitgenommen hat.
von diesen und ähnlichen problemen haben mir aber auch einige andere patienten berichtet. wir waren in unserer situation auch noch mit der "beruhigung" und aufrichtung unserer angehörigen beschäftigt. das wurde von uns mitunter als belastend empfunden, und so waren wir manchmal ganz froh ( obwohl sich das vielleicht ein wenig gemein anhört ) wenn unser besuch wieder gegangen ist. es war einfach manchmal etwas anstrengend. es änderte sich aber alles, als es mir immer besser ging, und daher habe ich mit dieser zeit eigentlich abgeschlossen.






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Restriktive Kardiomyopathie, Zustand nach Reanimation bei Kammerflimmern und mehrfacher VT, Defi-Implatation 1998, Perikarderguss mit Herzversagen u. mehrstündiger Reanimation 1999

Re: Probleme für die Angehörigen bei Rückkehr in die "Normalität" nach PHT

#3
Hallo Christine

Das Problem mit dem "Umfeld-Informieren" hatte ich glücklicherweise nicht. Ich bin allerdings auch ganz anders an die Sache heran gegangen. Ich war von vorneherein völlig offen zu Allen (Briefträger bis Schwiegermonster ;-) und hatte mir schnell ein paar Standardsätze zurechtgelegt, die den Informationsbedarf der Leute befriedigt haben.
Die Sorgenproblematik hingegen war bei mir schon auch vorhanden, das ist mir vor allem bei Familienmitgliedern auf den Geist gegangen, von denen man sonst nichts hört...

Wichtig wäre mir, wie Ihr den Weg in die neue Normalität gegangen seid und welche Probleme, die dabei aufgetreten sind, ev. verhinderbar wären.

Danke. Windnarr

Re: Probleme für die Angehörigen bei Rückkehr in die "Normalität" nach PHT

#4
Hallo zusammen,

ich bin nun 23 Jahre und hatte vor kurzem auch Kammerflimmern und längere Reanimation im Anschluss.
Nun ist mir auch ein Defi eingesetzt worden und seitdem werd ich von meinem Lebensgefährten auch mit Samthandschuhen angefasst, er will nicht, dass ich irgendein alkoholisches Getränk trinke, noch Sport mache oder sonst etwas, was mit Anstrengung verbunden ist. Auch von meinen Eltern bekomm ich nun einen täglichen Anruf, ob auch wirklich alles in Ordnung ist. Ich bin ebenfalls nur noch mit Beruhigen meiner Angehörigen und Freunde beschäftigt.
Allerdings habe ich mir nun auch schon paar Standardsätze zugelegt und zum Glück redet mein Partner mit niemanden darüber und meine Eltern konnte ich auch davon überzeugen, dass nicht jeder über den Vorfall Bescheid wissen muss.

Aber ich hoffe, dass sich das mit der allgemeinen Übersorge wieder legt, und ich dadurch nicht dauernd an den Vorfall erinnert werde. Ich versuche es immer noch mit der Verdrängungstheorie und will so schnell wie möglich wieder in mein altes Leben zurück.

Es beruhigt mich auf jeden Fall, dass ich mit meinen Problemen nicht alleine bin.

Viele Grüße
Marianne

Re: Probleme für die Angehörigen bei Rückkehr in die "Normalität" nach PHT

#5
Hallo,

nach dem Koma, war für mich erst mal alles anders, das heißt, meine Füsse gehorchten mir nicht, schreiben und lesen konnte ich nicht und mein Gedächtnis war ein Sieb.

Erst mal konnt ich das alles gar nicht verstehen was man mir erzählte. Ich fühlte mich als wenn ich gar nicht dabei gewesen wäre.

Als ich in der Reha war, lernte ich viele Dinge wieder und lernte auch mit dem zu Leben was alles zurück geblieben ist.

War soweit alles ok, bis ich daheim war!! Dann kam die Angst, Angst das der Defi schockt und Angst, das er nicht schockt, wenn ich ihn brauche!!! Total verdreht aber so war es. Ich machte gar nichts mehr, traute mich an nichts mehr ran und nahm mir alles zu Herzen, was einem die Ärzte sagen, was man vermeiden solle.Die Angst ging soweit das ich nur noch daheim blieb.

In meinem Kopf zurück geblieben ist, das ich nicht mehr solange irgendwo hin gehen kann wo es viele Menschen, laute Musik und sowas gibt, mein Gehirn kann das nicht mehr sortieren, und dann bin ich richtig "GAGA". Ich weiss dann nicht mehr wo ich bin, an welchem Tisch ich sitze usw. Und alles zuckt in meinem Kopf. Das alles wollte ich vermeiden zu meinem eigenen Schutz.

Ich ging dann 6 Wochen in eine Akut-Klinik für Psychosomatik die mir sehr weiterhalf.
Seither bin ich nach wie vor in Einzeltherapie.
Ich lerne dort mein Leben zu leben so wie es ist,und mich nicht durch meine Einschränkungen vollkommen zurück zu ziehen, denn dann besteht ja absolut keine Lebensqualität mehr.

Ich habe noch einen weiten Weg, aber ich bin auf gutem Wege dorthin....


Ich hoffe ich konnte ein wenig weiter helfen..

LG Dani



Re: Probleme für die Angehörigen bei Rückkehr in die "Normalität" nach PHT

#6
Hallo,
nach Kammerflimmern, Koma und Defi-Implantation ging es mir anfangs sehr schlecht. Ich hatte bei jeder Bewegung Angst, der Defi könnte auslösen. Bei jedem unregelmäßigen Herzschlag die Angst, das wird bestimmt wieder Kammerflimmern. Angst, Angst, Angst. Durch die Medikamente fühlte ich mich auch wie ausgebremst.
Meine Familie hatte natürlich mit mir Angst. Sobald ich länger im Keller war, kamen sie sofort uns schauten, ob etwas passiert ist.
Mein damaliger Chef hat mir sehr geholfen. Er sagte, ich solle wieder arbeiten, damit ich nicht ständig in mich reinhöre. Ich fing dann mit 2 Std. täglich an. Mein Mann spendierte mir ein Taxi, da ich schreckliche Angst hatte, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Mein Chef brachte mich wieder heim. Auch er hatte Angst (mein Kammerflimmern hatte ich damals während der Arbeit).
So ging das eine ganze Weile. Mir ging es langsam immer besser. Ich traute mich dann auch mit den öffentlichen zu fahren, konnte immer länger bei der Arbeit bleiben und so nach und nach ließen die Ängste bei mir und auch bei der Familie nach. Allerdings musste ich lange noch zu Hause anrufen, wenn ich mich etwas verspätete.
Alles in allem hat es ziemlich gedauert, bis das Leben wieder normal verlief.
Nach einem halben Jahr musste mein Defi dann auslösen. Dann fingen die ganzen Ängste natürlich aufs neue an. Aber seit über 7 Jahren ist nichts mehr passiert.
Lasst euch Zeit, sprecht über eure Ängste. Das ist ganz wichtig.
Alles Gute für euch
Chris