Amiodaron die zweite

#1
Hi,
ich habe vor zwei Jahren aufgrund ventrikulärer Tachykardien und (subjektiv noch schlimmer) massiver ventrikulärer Extrasystolie Amiodaron bekommen.

Nach anfänglich großer Skepsis und einer Riesen-Angst vor den Nebenwirkungen, war ich begeistert. Das Zeug hat mir eine Lebensqualität verschafft, die ich so nicht kannte!

Jetzt habe ich Anfang März einen ICD bekommen (EF 25%). Mein Kardiologe war zu dem Zeitpunkt nicht verfügbar und die behandelnden Ärzte haben das Amiodaron abgesetzt. Es wäre viel zu gefährlich in meinem Alter (39) und ich wäre ja nun durch den ICD geschützt.

So langsam verschwindet die Wirkung und meine Lebensqualität sinkt....

Meine Frage an Euch: Gibt es jmd, der auch jung angefangen ist und Amiodaron in der Langzeitbehandlung nimmt? Und wenn ja, in welcher Dosierung und mit welchen Nebenwirkungen.

Im Juni kann ich zu "meinem" Kardio zurück und werde ihn ebenfalls damit konfrontieren.

LG
Majo

Re: Amiodaron die zweite

#2
Hallo Majo.

Sei froh das man das Zeugs bei dir abgesetzt hat.
Zusätzlich zu den häufigst vorkommenden Nebenwirkungen wie Sonnenstrahlenempfindlichkeit der Haut und Ablagerungen auf der Netzhaut ( schon nach 1/2 Jahr ) hat mit das Sauzeugs nach knapp 3 Jahren die Schilddrüse gekostet. Absetzen will man es aber immer noch nicht wobei ich von der Wirksamkeit nicht gerade überzeugt bin. 2 Schocks bisher, einen ohne und einen mit Amiodaron. Selbsterfahrung der Wirksamkeit also fifty/fifty mit niederdrückenden Nebenwirkungen.
Ich wäre froh wenn es aus meinem Medikamentencocktail verschwinden würde.

Ach So, 5 * 200 in der Woche.



by4now, Heinz

Offizielles Fördermitglied der "Alle lieben Heinz"-Vereinigung e.V.
Mitgliedschaft nur bei persönlicher Einladung möglich - Nachfragen zwecklos
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Ich habe keine Wespen-Taille, ich habe eine Hummel-Hüfte

Best Wishes, Heinz

Re: Amiodaron die zweite

#3
Hallo Majo,
ich kann Heinz nur zustimmen.Ich habe ca.4 Monate Amiodaron eingenommen, mit beträchtlichen Nebenwirkungen, wenn man die Kürze der Einnahme betrachtet.
Bei mir hat das Medikament oder "Rattengift", wie mein Hausarzt es nennt vor allem dem Magen, der Leber, der Haut und wahrscheinlich der Schilddrüse geschadet.
Diese sieht nach Befundung der Fachärztin für Endokrinologie "total wüst" aus.
Ich habe eine Entzündung und muss ständig zur Kontrolle.Die Funktion verändert sich auch schon Richtung Unterfunktion. Davor hatte ich diesbezüglich keine Probleme.
Die Sonnenempfindlichkeit war bei mir ebenso extrem.Nach ca. 20 minütigem Aufenthalt in der Sonne bekam ich stark juckenden Ausschlag.Nachdem ich das Amiodaron abgesetzt habe, habe ich immer noch grau bis schwarz verfärbte Stellen auf der Kopfhaut.

Im übrigen hat mich das "Supermedikament" nicht davor bewahrt, unter schweren Rhythmusstörungen bewusstlos zu werden.
Ich bin froh, dass ich das Teufelszeug nicht mehr einnehmen muss.Da bleibe ich lieber bei meinem Betablocker und verhalte mich moderat, um Rhythmusstörungen zu vermeiden.



Re: Amiodaron die zweite

#4
Hallo Majo,

Ich nehme seit etwas mehr als 6 Jahren täglich 200mg.
2 Versuche es abzusetzen bzw. zu reduzieren sind fehlgeschlagen.

Bezüglich der Lebensqualität kann ich das sehr gut nachvollziehen, mein Rhythmus ist viel stabiler.

Nebenwirkungen bei mir: Vor zwei Jahren musste die Schilddrüse entfernt werden, wegen einer Amiodaron bedingten Überfunktion. Ablagerungen auf der Netzhaut habe ich ebenfalls. Eine erhöhte Sonnenempfindlichkeit kann ich nicht feststellen.

Viele Grüße
Frank



Re: Amiodaron die zweite

#5
Danke, für Eure Erfahrungen.

Wenn man das Gefühl hat, die Wirksamkeit ist nicht gegeben, kann ich verstehen, dass man sehr damit hadert.

Bei mir ist es so, dass es mir einfach viel, viel besser geht. Ich hatte vorher 24 Std. Bigeminus mit unerträglicher Übelkeit und Schwindelanfällen und ständiger Benommenheit, die mich oft nicht aus dem Haus hat gehen lassen.
Mit zwei kleinen Kindern ist das doppelt scheisse.

Nach der Aufsättigung bis zum Zeitpunkt des Absetzens hatte ich nicht einen einzigen so schlechten Tag, wie vorher ständig.

Da fällt das Abwägen echt schwer.
Ich habe täglich 200 mg genommen.
Extreme Sonnenempfindlichkeit, die mich sehr stört, und Ablagerungen auf der Cornea, von denen ich nichts merke, sind die einzigen bislang aufgetretenen Nebenwirkungen.

Ich hab wahnsinnige Angst vor Lungenfibrose oder dem Verlust der Schilddrüse, Leber- Nierenschäden etc.
Aber ich will auch nicht mit den ständigen Einschränkungen leben.

Andererseits denke ich, wenn man doch in regelmäßigen, kurzen Abständen das alles kontrollieren lässt, müsste das Risiko doch überschaubar sein oder?

LG
Majo



3 x TakoTsubo, 07.2014, 04.2015 und 02.2017
Biotronik ICD Implantation 03.2017
EF 35%

Re: Amiodaron die zweite

#6
Hallo Majo,

ich musste Amiodaron 4 Jahre lang nehmen und kämpfen, gegen den Willen der Ärzte.

Warum ?

  1. es gab bei mir zwar eine herztechnische leichte Besserung, jedoch zu welchem Preis ? Ich bin durch die Nebenwirkungen so eingeschränkt worden, dass meine Lebensqualität im Ganzen am untersten Limit war.

  2. Nebenwirkungen:
a) Sonnenempfindlichkeit der höchsten Stufe mit Blasenbildung & Rötungen wochenlang zu jeder Jahreszeit, keine Hilfe durch LSF 50+ etc. (zu Hause bleiben war angesagt) (nicht komplett weg gegangen)
b) irreparabler Nierenschaden
c) irreparabler Leberschaden (neue Leber wurde bei weitere Einnahme von Amio verweigert)
d) Augengries (besser geworden)
e) Depressionen (etwas besser geworden) und alles was damit verbunden ist (Antriebslosigkeit, massive Stimmungsschwankungen etc.)
f) und noch einiges mehr.

Was oft nicht gesagt wird ist, dass die Aufsättigung und das Absetzen eine sehr gefährliche Zeit ist, da hier sehr oft Kammerflimmern etc vermehrt auftreten und dies daher nur unter ärztlicher Aufsicht und über einen sehr langen Zeitraum erfolgen sollte.


Es ist bei junge Patienten (wie uns) überhaupt bis garnicht erforscht und studientechnisch festgehalten, welche Wirkungen/Nebenwirkungen in Kurz- und Langzeittherapie es hat. Auch kommt es auf die weiteren Grund- und dadurch verursachten Begleiterkrankungen an, sowie der Medis die man nehmen muss. (Ich hatte nur ein weiteres Medikament)


Was nützt es, wenn das einigermaßen gut Herz schlägt, aber alles andere durch Amiodaron so geschädigt wird ?



____________________
Myokarditis im Kindesalter, ICD Implantation in den 90'ern+ 5 Reanimationen + 4 ReImplantation, 1x Sonden- & TaschenRevision, EF 45%, NYHA II, Herzinsuffiziens II°, Mitralklappeninsuffiziens I°,Trikuspidalklappeninsuffiziens I°, Amiodaron/Bisoprolol=ß-Blocker-Unverträglichkeit

Herztod am 29.04.96 + 02.03.16

Manchmal klingt es hart & tut weh, aber danach weißt Du warum !

Re: Amiodaron die zweite

#7
Ich verstehe dich, Majo, schon.Wenn dir das Medikament geholfen hat, fällt es natürlich schwer, darauf zu verzichten. Dennoch, wenn du dich intensiv mit dem Nebenwirkungsprofil beschäftigst und das evtl. über unsere Aussagen hinaus, wirst du eine andere Sicht auf eine mögliche Langzeiteinnahme bekommen.
Nicht umsonst wird Amiodaron im Normalfall unter stationären Bedingungen eingestellt.
Wenn das Medikament nicht derartig gefährliche Nebenwirkungen hätte, würde man das nicht so handhaben.
Mein Hausarzt sprach in diesem Zusammenhang von "ultima ratio", dem letzten möglichen Mittel.Als solches Mittel im Kampf gegen schwere Herzrhythmusstörungen muss man das Medikament sehen.Der Preis dafür ist eine hohe extrakardiale Toxizität.

Als ich in der Klinik darauf eingestellt wurde und nach dem Beipackzettel fragte, um mich über evt. Nebenwirkungen zu informieren (zu diesem Zeitpunkt war ich noch unkundig), meinte die Schwester, ich solle nicht so viel auf das geben, was auf dem Papier stehen würde. Im Nachhinein finde ich diese Aussage regelrecht fahrlässig.Von den Ärzten kam auch nur wenig Information rüber.
Insofern stimme ich mit Birgitt überein, was nützt das beste Herzmedikament, wenn du dir damit einen Großteil deines Körpers kaputt machst!?



Re: Amiodaron die zweite

#8
Ja, ich bin in einer Zwickmühle....

Provokant denke ich manchmal, was nützt mir das Leben, wenn ich so eingeschränkt bin, dass ich nicht mal aus dem Haus gehen kann, weil es mir so schlecht geht?

Ich bin stationär aufgesättigt worden und auch ständig in Kontrolle, was die relevanten Nebenwirkungen betrifft.

Mein Kardiologe sagte zu meinen Bedenken, dass es immer wieder Fälle gibt, die wenige bis gar keine Nebenwirkungen bekommen und natürlich auch die, die schon eine Aufsättigung abbrechen müssen.

Schwer, sehr schwer....

LG
Majo



3 x TakoTsubo, 07.2014, 04.2015 und 02.2017
Biotronik ICD Implantation 03.2017
EF 35%

Re: Amiodaron die zweite

#9
Natürlich, das ist eine und zwar deine schwere Entscheidung.
Niemand, auch ich nicht, möchte dir eine erneute Einnahme des Medikaments ausreden.Wir alle stellen lediglich unsere Sichtweise dar und geben vielleicht eine Entscheidungshilfe.
Es gibt sicher Patienten, welche ganz gut mit Amiodaron klar kommen.Andere eben nicht.Keiner kann vorher wissen, ob er zu denen gehören wird, die das Medikament gut vertragen oder zu denen, die langfristig gesehen große Probleme bekommen.

Ich nehme seit einigen Jahren einen Betablocker, Metoprolol.Damit komme ich recht gut klar, auch wenn Rhythmusstörungen nicht immer verhindert werden und mein Blutdruck oftmals extrem niedrig ist.Auch ist meine Belastbarkeit sehr eingeschränkt.
Das Nebenwirkungsprofil ist aber nicht mit dem von Amiodaron vergleichbar.
Hast du es schon mit einem Betablocker versucht ?
Oftmals gibt es doch noch Alternativen.
Ansonsten bleibt nur, genau abzuwägen, auf dein Bauchgefühl zu hören, dann es ist dein Leben.
Viele Grüße von Anett



Re: Amiodaron die zweite

#10
Hallo Annett,

Betablocker nocken mich total aus. Ich habe, ohne Medikamente, schon einen Standart-Blutdruck von 90:60. Die Diuretika, ACE Hemmer etc. sind schon sehr schwierig für mich. Und bei Betablockern ist dann Ende....ich habe mittlerweile zig ausprobiert, bzw. mein Kardiologe. Es macht keinen Sinn, leider.

Ich weiß, dass mir hier niemand die Entscheidung abnehmen kann. Das erwarte ich auch nicht.

Manchmal bekommt man aber, neben den ganzen Horrorgeschichten, auch mal eine positive Rückmeldung, an der man dann sieht, dass es vielleicht auch gut gehen kann. Eine Garantie gibt es nicht. Selbst unter Ärzten gibt es da ja wohl viele verschiedene Meinungen, von Rattengift bis hin zum besten Medikament ever.

Ich werde Anfang Juni mit meinem Kardiologen noch einmal darüber sprechen. Ihm vertraue ich, er hat mir das Leben gerettet und hat ein gutes Gespür für mich. Bislang hat er mir immer helfen können!

LG
Majo



3 x TakoTsubo, 07.2014, 04.2015 und 02.2017
Biotronik ICD Implantation 03.2017
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